Bonhoeffer hinter Gittern
Am kommenden Freitag (26.9.) wird in der Berliner Justizvollzugsanstalt Tegel eine bemerkenswerte Ausstellung eröffnet: „Dietrich Bonhoeffers Zeit in Tegel“. Die Gefängnisseelsorger Martin Kanzler-Stegmann und Matthias Spikermann haben unter Mitwirkung der AG Demokratie und Toleranz der JVA-Tegel eine Bild- und Ton-Schau zusammengestellt die einen Blick hinter die damaligen Mauern freigibt. Roger Töpelmann erinnert aus diesem Anlass an Bonhoeffers Verhaftung.
Am Spätnachmittag des 5. April 1943 wird Bonhoeffer in seiner Wohnung in der Berliner Marienburger Allee 43 verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis der Wehrmacht in Berlin-Tegel verbracht. Heute ist das die Teilanstalt III der JVA-Tegel. Der Gebäudeteil ist seit Jahren nicht mehr belegt.
Die Haftbedingungen galten als oft brutal. So war Bonhoeffer für die erste Nacht in einer Zugangszelle eingeschlossen worden. Die Decken auf der Pritsche mit bestialischem Gestank. Es war ihm trotz der Kälte nicht möglich, sich damit zuzudecken. Am nächsten Morgen warf ein Wärter ihm ein Stück Brot in die Zelle, sodass er es vom Boden aufheben musste. Der Kaffee enthielt zu einem Viertel Kaffeesatz. Als er dann mit den anderen Gefangenen anzutreten hatte, mussten alle sich Beschimpfungen anhören.
Äußerst isoliert
Er selbst wurde nach dem Haftgrund gefragt. Als er sagte, er kenne diesen nicht, sagte ein Schließer höhnisch: „Den werden Sie schon bald genug erfahren!“ Erst nach einem halben Jahr erfuhr er den Grund: Wehrkraftzersetzung. Interessanterweise wurde er nicht wegen Landes- oder wegen Hochverrat angeklagt, die Verhöre drehten sich mehr um seine Unabkömmlichkeitsstellung seit Beginn des 2. Weltkriegs. Die Freistellung war an sich nur wenigen Fachkräften vorbehalten, die in der Kriegswirtschaft als unabkömmlich galten und sie existierte noch weniger für Theologen oder Pfarrer. Tatsächlich aber gab es doch eine Einzelfallprüfung.
Bonhoeffer war äußerst isoliert in einer abgelegenen Zelle auf dem obersten Stock im Gebäude untergebracht. Das Gebäude erhielt später schwere Bombentreffer und so ist die Zelle heute im Original nicht mehr vorhanden. Ein Hinweisschild war bei der Zelle angebracht, die jeden Kontakt mit dem Gefangenen ohne besondere Genehmigung verbot. Bonhoeffer schrieb in seinem Bericht: „Ich war auf der Abteilung für die schwersten Fälle untergebracht, wo die zum Tode Verurteilten und an Händen und Füßen Gefesselten lagen. Der U.-Häftling wird bereits als Verbrecher behandelt“, so Bonhoeffer. Er durfte nicht einmal halbe Stunde ins Freie, erhielt weder Zeitungen noch Rauchwaren. Immerhin bekam er nach 48 Stunden seine Bibel zurück. In den folgenden zwölf Tagen öffneten die Wärter seine Zelle nur zur Hineingabe des Essens und zum Herausgeben des Fäkalienkübels.
Gelinde Wendung
Doch Bonhoeffers Schicksal erfuhr eine wenigstens gelinde Wendung: Seine Verwandtschaft mit dem Stadtkommandanten von Berlin, Paul v. Hase, der auch für die Wehrmachtsuntersuchungsgefängnisse zuständig war, werden schon bald bekannt. Er war Bonhoeffers Onkel. Bonhoeffer hat vermutlich deshalb den Haftbericht angefertigt, um dem Onkel die wahren Verhältnisse zu schildern. Bonhoeffer wurde in eine geräumige Zelle, Zellenblock 25, Zelle 92 verlegt, die sogar täglich gereinigt wurde. Bei den Essensrationen sollte er größere Portionen bekommen. Er lehnte das aber ab, weil das nur zu einer Reduzierung der Mahlzeiten der anderen Gefangenen geführt hätte. Der Kommandant in Tegel, Hauptmann Walter Maetz, holte ihn gelegentlich für die täglichen Freigänge im Gefängnis ab, Von da an änderte das Personal ihm gegenüber das Verhalten „durch ausgesuchte Höflichkeit“. Selbst der Stadtkommandant besuchte ihn einmal und sie tranken Champagner und redeten fünf Stunden lang.
Heute sieht man durch vergitterte Fenster die Zelle 92, in der Bonhoeffer untergebracht war. Treppen aus Stahl, überall Gitter und abgehängte Drahtgeflechte. Jede Türe, durch die man geht, wird mit großen Schlüsseln auf- und zugeschlossen. Pfarrer Matthias Spikermann beschreibt seine Arbeit so: „Ich bin nichtstaatlich Handelnder in einer staatlichen Einrichtung. Ich schreibe keine Beurteilungen über die Strafgefangenen, aber ich kann jederzeit um Gehör für die Lage eines Gefangenen bitten. Unser Handeln ermöglicht Freiräume.“ Der Kontakt zu einzelnen zu Betreuenden kommt durch Anfragen auf Zetteln zustande. Darauf steht zuallermeist: „Ich bitte um ein Gespräch mit der Seelsorge/ dem Pfarrer oder „um ein Gespräch mit meiner Familie im Pfarrbüro. Auch: „Ich möchte mit dem Pfarrer Schachspielen.“ In der Regel wird dann der Betroffene in die Diensträume des Pfarrers gebracht.
Die Ausstellung wird bis zum 6. 11. 2025 im Haus III. der Justizvollzugsanstalt Tegel, Seidelstraße 39 nach vorheriger Anmeldung unter al.vz@jvatgl.berlin.de zu sehen sein. Am 7. 11. 2025, 18.00 Uhr, spricht die Kirchenpräsidentin der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Honorarprofessorin Dr. Christiane Tietz, in der JVA Tegel über Dietrich Bonhoeffer.
Roger Töpelmann
Dr. Roger Töpelmann ist Pfarrer i.R. Er war bis 2020 u.a. Pressesprecher des Evangelischen Militärbischofs in Berlin.