Keine Neuverbeamtungen mehr?

Die rheinische Kirche geht voran. Ob die anderen folgen …
Synode der Ev. Kirche im Rheinland, Februar 2025
Foto: EKiR
Synode der Ev. Kirche im Rheinland, Anfang Februar 2025 in Düsseldorf.

Mit großer Mehrheit hat die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland beschlossen, die Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer in ihrem Bereich umzugestalten. Zwar ist es bisher nur ein Prüfauftrag, doch nächstes Jahr soll entschieden werden. Für den Theologen Steffen Bauer, der sich seit langem intensiv mit kirchlichen Reformprozessen beschäftigt, ist dieser Schritt überfällig und zwar in allen EKD-Landeskirchen.

 

Am Schluss gab es eine klare Mehrheit. Bei nur 2 Gegenstimmungen und 5 Enthaltungen stimmte die rheinische Landessynode (198 Mitglieder) am 6. Februar 2025 der Beschlussvorlage mit der Überschrift „Umgestaltung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse in der EKiR“[1]zu.  Abgestimmt hatte die Synode über diese sechs Punkte, die nicht weniger als einen Systemwandel innerhalb der zweitgrößten Landeskirche innerhalb der EKD herbeiführen werden:

1. Die Evangelische Kirche im Rheinland beabsichtigt, ab einem noch festzulegenden Zeitpunkt sämtliche neu zu begründendem Beschäftigungsverhältnissen privatrechtlich zu gestalten. Dieser Beschluss steht unter der Voraussetzung, dass sich bei den im weiteren Verlauf zu erfolgenden Prüfungen keine Risiken für die Evangelische Kirche im Rheinland ergeben, die in einem Missverhältnis zu den Chancen stehen. 

2. Der Systemwechsel führt zu einer Neugestaltung des Pfarrdienstes. Dabei sind die Rahmenbedingungen des Pfarrdienstes auf ihre Zeitgemäßheit und Attraktivität hin fortzuentwickeln. Dies sind insbesondere: Arbeiten in multiprofessionellen Teams, Zusammenwirken der Ämter und Berufe, Berufszufriedenheit, Entgeltstruktur, Arbeitszeit, Erreichbarkeit, Residenzpflicht etc. 

3. Die Evangelische Kirche im Rheinland strebt nachdrücklich an, einen solchen Systemwechsel gemeinsam mit der EKD und ihren Gliedkirchen zu entwickeln. Sie bittet die Kirchenleitung, sich mit Nachdruck gegenüber der EKD und den Gliedkirchen dafür einzusetzen, hierfür Voraussetzungen zu schaffen. 

4. Der Landessynode 2026 ist ein konkreter Vorschlag zur Systemumstellung vorzulegen, der auch einen Zeitplan umfassen soll. 

5. Sofern sich bis zur Landessynode 2026 keine Lösung unter Beteiligung der EKD abzeichnet, soll eine Lösung für die Evangelische Kirche im Rheinland gemeinsam mit jenen Gliedkirchen entwickelt werden, die ebenfalls eine Systemumstellung beabsichtigen. 

6. An dem weiteren Prozess sind Vertreterinnen und Vertreter der Studierenden der Evangelischen Theologie in der Evangelischen Kirche im Rheinland (Therra), der Vikarsvertretung, der Pfarrpersonen im Probedienst und der Pfarrpersonen aus der jüngeren Generation, die Pfarrvertretung sowie der Rheinische Verband der Mitarbeitenden und Mitarbeiter im evangelische-kirchlichen Verwaltungsdienst und der Gesamtausschusses der Mitarbeitendenvertretungen laufend zu beteiligen.“[2]

Der Abstimmung vorangegangen waren intensive Ausschussberatungen und eine Plenardebatte, in der von allen Redner*innen die Bedeutung dieses Beschlusses samt seiner Risiken und Chancen in einer sehr sachorientierten Aussprache betont wurde.[3] Besonders auffallend waren das Votum der Pfarrvertretung, die sich deutlich hinter den Beschlussvorschlag gestellt hat, das Votum der Vikariatsvertretung, die sich vor allem für die Einbeziehung in den bisherigen, aber auch den weiteren Prozess bedankt hat und eines langjährigen Mitglieds der Landessynode, das bedauerte, dass er sich selbst nicht schon vor zehn Jahren stärker für eben diese Umwandlung ausgesprochen hatte. 

Nur 4 statt 5 Millionen Euro pro Pfarrperson

Geprägt wurde diese Aussprache von Berechnungen einer Fachgruppe, die die Kosten eines neu zu begründenden öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnisses mit 5 Millionen Euro angab. Demgegenüber würden bei einem privat-rechtlichen Dienstverhältnis „nur“ 4 Millionen Euro an Kosten anfallen. Im Vordergrund standen also finanzielle Aspekte, wobei man gleich anmerken muss, dass die genauen Parameter wie zum Beispiel die Eingruppierung in ein Angestelltenverhältnis noch nicht abschließend definiert wurden. Ob die angestrebten Einsparungen sich also tatsächlich realisieren lassen, ist noch überhaupt nicht sicher. Der Punkt 2 der Beschlussvorlage macht ja auch deutlich, dass man weiterhin und vielleicht sogar mehr denn je am Pfarrberuf als einem attraktiven Beruf festhalten möchte. Sicher spielt dabei auch die Bezahlung eine wichtige Rolle. 

Deutlich wurde in der Debatte allerdings, dass man bei einer Fortführung des bisherigen Systems kaum mehr garantieren könne, wie man als Arbeitgeberin „Kirche“ die Verpflichtung für eine Neuverbeamtung über einen Zeitraum von circa 60 Jahren einschließlich Versorgung, Beihilfe und möglicher Hinterbliebenenversorgung sicherstellen könne, ohne die Handlungsmöglichkeiten der Kirche für ihre sonstigen Kernaufgaben deutlich und mehr und mehr einschränken zu müssen. Dazu muss man wissen, dass die rheinische Kirche auf dieser Synodaltagung gleichfalls beschlossen hat, statt 18% ihres Netto-Kirchensteueraufkommens wie in den letzten Jahren nun neu stattliche 23% davon für die Versorgung und Beihilfe aufzuwenden. Aber selbst mit dieser Summe würde man nur auf eine 70% Abdeckung der Lasten in diesem Bereich kommen, die Deckungslücke bleibt riesig. Wenn man dann noch dazu nimmt, dass ebenfalls auf dieser Synode ein Prozess beschlossen wurde, der im „gesamtkirchlichen“ Haushalt zu einer strukturellen Kürzung von weiteren 20% führen muss, dann wird klar, wie sehr die Verknappung der Ressourcen die Organisation Kirche vor große Herausforderungen stellt. Nicht etwa die Lust an Neuem und ein Ruck, der durch die Kirche geht, sind die Treiber der Veränderungen, sondern die zunehmende (finanzielle) Last und ein immer größer werdender Druck auf die Organisation. 

Klar ist mit diesem Beschluss, dass die rheinische Synode Anfang des kommenden Jahres eine Gesetzesvorlage mit dem Ausstieg aus den Neuverbeamtungen vorgelegt bekommen wird. Mit dieser Systemumwandlung und auch mit diesem Zeitplan steht die rheinische Kirche aber schon gar nicht mehr allein dar. 

„Wir wollen Leute, die Flexibilität nicht scheuen“

Mit einem Interview in der FAZ hat Prälat zur Nieden aus der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck am 30.10.2024 jedenfalls für Aufsehen gesorgt. Auf die Frage, ob er denn am liebsten gar keine Pfarrer*innen mehr verbeamten wolle, sagte er: 

„Das ist richtig. Im Kern geht es um ein Kirchenbild. Wir wollen Leute anziehen, die Flexibilität nicht scheuen. Als angestellte Person kann man ohne Schwierigkeiten für einen anderen Arbeitgeber arbeiten und später wieder zurückkehren – das ist für die Kirche gut, weil ein Wechsel neue Horizonte eröffnet. Angestellte können am Ende ihres Berufslebens auch einen Schritt auf der Karriereleiter zurückgehen ohne wie Beamte die Höhe ihrer Pension zu gefährden.“[4]

In dem Interview war zur Nieden weiter wichtig zu betonen, dass es keine Gehaltsunterschiede zwischen angestellten und verbeamteten Pfarrer*innen geben solle und dass man auch als angestellte Pfarrperson mit Sicherheit von einem lebenslangen Berufsverhältnis ausgehen könne, weil die Zahlen der Studierenden eben so niedrig und die Abgänge bei den Baby Boomer so groß seien. 

Auf der Landessynode der Evangelischen Kirche in Kurhessen-Waldeck im November hat der Prälat seine Interviewäußerungen gegenüber der FAZ aufgegriffen und bekräftigt, dass er eben nicht nur aus finanziellen Gründen für den Ausstieg aus den Beamtenverhältnissen sei, sondern auch aus Gründen der "konzeptionelle(n) Plausibilität". Vor der Synode sprach er davon, dass der Pfarrberuf "neu entwickelt werden müsse", er "neu zu konzipieren", ja, "neu zu erfinden sei".[5] Zusätzlich stellte er einen möglichen Zeitplan vor. Immer vorausgesetzt, dass die jeweiligen Gremien den einzelnen Etappen zustimmen, würde die Synode schon im Herbst 2025 einen Grundsatzbeschluss für den Ausstieg fassen können und im Frühjahr 2026 dann einen Gesetzgebungsvorschlag vorgelegt bekommen. Dieser Zeitplan stimmt mit dem der rheinischen Kirche überein und auch in der Suche nach weiteren Landeskirchen, die diesen Weg mitgehen wollen, ist man sich einig. 

Dass dieses Thema im Jahr 2025 und im Jahr 2026 zu einem zentralen Gegenstand aller Beratungen wird, machte auch Bischöfin Kirsten Fehrs, die Ratsvorsitzende der EKD, in einem Interview deutlich.  Sie wird wiedergegeben mit den Worten: 

„Angesichts des Mitgliederschwunds und des absehbaren Geldmangels müsse "auf EKD-Ebene über Grundsatzfragen gesprochen werden, die sich in nahezu allen Landeskirchen aktuell stellen", sagte die Hamburger Bischöfin der Tageszeitung "Die Welt" (Online: Dienstag, 10. Dezember/Print: Mittwoch). Dazu gehöre auch, "ob wir bei unseren Pfarrerinnen und Pfarrern weiterhin den Beamtenstatus erhalten können und wollen."[6]

Beamtenstatus keine Bekenntnisfrage

Und auch in der Aussprache zum Doppelhaushalt der württembergischen Kirche wurde von einem Synodalen, einem Dekan, bekräftigt, dass der Beamtenstatus für ihn keinen Bekenntnisstatus habe und durchaus infrage gestellt werden dürfe. Dass dieser Äußerung auch widersprochen wurde, ist nicht verwunderlich[7], es ist ein heikles, aber ganz notwendig breit zu diskutierendes Thema. Aufgrund der verschiedenen Begründungen für einen Wechsel und der ablesbaren Entschlossenheit zumindest der beiden oben angeführten Landeskirchen zeichnet sich hier die Systemumwandlung sehr konkret innerhalb eines sehr klaren Zeithorizontes ab. Ich gehe aber auch davon aus, dass diesen Wechsel nicht alle Landeskirchen vollziehen werden. Dann aber wird es besonders spannend werden, und es tun sich viele Fragen auf:

Preschen einzelne Landeskirchen vor und hoffen darauf, dass die anderen Landeskirchen nachziehen? 

Kann man sich wenigstens EKD-weit auf einen Zeitplan für diese Ungleichzeitigkeit verständigen?

Und welche Folgen wird dies für die Nachwuchsgewinnung insgesamt und speziell bei den erstmaligen Betroffenen hervorrufen, also bei den Vikar*innen und den Studierenden? 

Wird es Landeskirchen geben, die zum Hort der Verbeamtungen werden und werden diese dann noch unterschiedlicher zu den Landeskirchen werden, die Pfarrpersonen nur noch im Angestelltenverhältnis übernehmen? 

Stimmt die Hypothese, dass sich in letzteren dann die kreativeren Personen sammeln? 

Sind die Konsequenzen für das Pfarr-, Gemeinde- und Kirchenbild hinreichend diskutiert (in manchen Landeskirchen hat diese Diskussion in der Breite noch gar nicht begonnen)?

Was bedeutet es für die Teambildung, wenn es entweder bei der Ungleichheit von Beamten und Angestellten bleibt oder eben nur noch Angestellte vorhanden sind?

Wie wirkt sich das auf das gegenwärtige Arbeiten aus, wenn die jüngeren Pfarrpersonen allesamt Angestellte sind?

Sind die Erfahrungen mit angestellten Pfarrpersonen schon ausreichend ausgewertet, denn diese gibt es ja bereits zahlreich? 

Wird es dabei bleiben, dass Pfarrpersonen je nach Landeskirche ungleich bezahlt werden?

Wie werden Pfarrpersonen im privat-rechtlichen Bereich bezahlt werden?

Meine persönliche Meinung: Diese Umstellung muss kommen. Wer kann heute für einen Zeitraum von 60 Jahren noch davon ausgehen, dass die Landeskirchen diesen besonderen Status aufrechterhalten können? Und wenn damit erhebliche Einsparungen auf Dauer verbunden sein würden, dann gewinnt diese Entwicklung Gewicht. Diese Umstellung ist allerdings einschneidend vor allem auch für das Pfarrbild und muss gerade vor diesem Hintergrund gut überlegt und diskutiert werden. Aber auch hier kann ein Blick in andere Kirchen helfen. Mit der Verbeamtung sind die deutschen Landeskirchen in der weltweiten Ökumene die absolute Ausnahme. 

Die Leitungen in den Landeskirchen sind in jedem Fall durch die Initiative der beiden Gliedkirchen aufgefordert, hier schnell zu gemeinsamen Überlegungen zu kommen. Es wäre schlecht, wenn es noch nicht einmal einen verabredeten Zeitplan zu diesem Thema geben würde und also völlig unklar bleiben würde, wann welche Landeskirche diese Veränderung angehen wird oder eben auch nicht. Auf die weiteren Diskussionen darf man gespannt sein. 

 


 

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Foto: privat

Steffen Bauer

Dr. Steffen Bauer ist Theologe und war bis Ende 2024 Leiter der Ehrenamtsakademie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Darmstadt.

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