Schnauze, Berlin!

Punktum
Foto: Rolf Zöllner

Den Menschen im Ruhrgebiet sagt man ja nach, dass sie die direkte Ansprache („Hömma“) und das klare Wort („Pass ma auf“) schätzen, hinter der rauen Schale aber in der Regel viel Anteilnahme („Echt jezz?“) und Herzenswärme („Ach, komm ey“) steckt. Dass dies nicht überall so gut ankommt und auch nicht so gehandhabt wird, habe ich in meinen Lehrjahren in der Pfalz zu spüren bekommen. Da hing in der Adventszeit ein kleines Säcklein an meiner Türe, ein Gruß von der Nachbarin. Darin ein Kalender, über den ich mich zuerst freute. Allerdings war das Geschenk ein wenig vergiftet, denn in diesen Kalender hatte sie meine Kehrwochen eingetragen – offenbar hatte ich die nicht so genau genommen wie sie. Hätte sie mir ja auch direkt sagen können …

Dann schon lieber Hauptstadt („Jau“), wo die Treppenhäuser von irgendwem irgendwann geputzt werden und die Berliner Schnauze so hart-herzlich regiert, dass der Ruhrgebietler noch was lernen kann. Aber: Ich mache mir Sorgen. Letztens spurtete ich zur Tramhaltestelle, wo die Bahn gerade noch mit offenen Türen stand. Zwei Meter vor dem Ziel sah ich das rote Licht blinken und all mein Winken konnte den Fahrer nicht mehr erweichen, die Türen nochmal zu öffnen. Doof, aber eigentlich nicht der Rede wert. Doch dann hörte ich es: „Jeder hat das Recht, pünktlich zur Abfahrt zu kommen!“ Und niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen, oder was?! Die passiv-aggressive Stimme kam von einer BVG-Mitarbeiterin, die in ihrer Arbeitskleidung mit ungerührtem Blick auf der Haltestellenbank saß.

Liebes Berlin, lass Dich nicht verwirren von all den Menschen aus dem Süden Deutschlands, die Dich zu ungehobelt finden. Behalte bloß Deine Schnauze bei, die brauchen wir in Zeiten wie diesen. Und wenn ich das nächste Mal der Tram hinterherschaue, ruf mir wieder lachend zu: „Loofen macht schöne Beene!“ Allet klar? 

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Foto: Rolf Zöllner

Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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