Die Bildfülle ist opulent. Staunend blicken die Besucher um sich, richten ihre Smartphones bald hierhin, bald dorthin. Figuren, Symbole, Ornamente, Lettern, weiß auf grauem Grund in Sgraffito-Technik – vom Boden bis hinauf zu den Giebelspitzen. Der Blickfang indes ist die 19 Meter breite Loggia mit ihren Wandgemälden in leuchtenden Farben. So wie jetzt waren diese Fresken im Großen Schlosshof des Dresdner Residenzschlosses über Jahrhunderte nicht zu sehen. „Wir sind die Ersten seit Generationen, die sie wieder in voller Pracht bewundern können“, sagt Marius Winzeler, seit 2021 Direktor von Grünem Gewölbe und Rüstkammer der Staatlichen Kunstsammlungen. So könnte dieser Teil des Schlosses ausgesehen haben, als ihn die Handwerker nach neunjähriger Arbeit unter Leitung von Caspar von Wierandt, Bastian und Hans Kramer 1556 vollendeten, meint Matthias Zahn. Der Restaurator war seit 2016 an der Wiederherstellung der Fresken beteiligt. „Man hat den Eindruck, einen großen Festsaal unter freiem Himmel zu betreten.“ Diese überwältigende Wirkung muss Moritz (1521–1553) – zunächst Herzog, nach seinem Sieg in der Schlacht bei Mühlberg 1547 sächsischer Kurfürst – im Sinn gehabt haben, vermutet der Restaurator. Seit im September 2023 die Gerüste fielen, ist das nun nacherlebbar. Moritz, so erzählt Matthias Zahn, hatte dafür auf einer Italienreise 1548 begabte Maler gefunden: die Brüder Benedetto und Gabriele Tola. „Sie brachten das damals Modernste nach Dresden – die Kunst der Renaissance.“ Wie ihre Bilder ursprünglich aussahen, ließ sich nicht en détail nachvollziehen.
Existierende Zeichnungen
Im 18. Jahrhundert teils verbrannt, dann übermalt, waren die letzten Reste bei den Bombenangriffen im Februar 1945 verlorengegangen. Immerhin existierten die Entwurfszeichnungen. Marius Winzeler spricht daher von „Reinszenierung“. Für die jedoch scheuten die Experten keinen Aufwand. Sie suchten passende Farbpigmente, reisten nach Italien, um sie mit Originalen aus jener Zeit zu vergleichen. Sie malten die Bilder auf Karton, erst verkleinert im Maßstab eins zu zehn, anschließend in Originalgröße, teils über fünf Meter hoch. Erst dann brachten fünf Restauratorinnen und Restauratoren, eine Kunstmalerin und ein Kunstmaler sie auf den feuchten Putz auf. Nichts an diesem Bildprogramm habe Moritz mit seinen Beratern dem Zufall überlassen, erläutert der evangelische Theologe Ulfrid Kleinert in Biblische Farbenpracht, dem reich illustrierten Buch zu den Fresken. Als Feldherrr und protestantischer Fürst wollte sich Moritz erhöhen. Die Bibelgeschichten repräsentieren Herrschaft und Macht mit göttlichem Segen. Das oberste Bild stellt die Ankunft der Königin von Saba dar (1. Könige, Kapitel 10). Sie stellte König Salomo Rätselfragen, um dessen Weisheit auf die Probe zu stellen. Die Frau bestimmt die Handlung.
Verbundenheit der Weisen
Das Außerordentliche, so Kleinert: „Ganz selbstverständlich wird in Dresden beider Gleichwertigkeit von Hof zu Hof gezeigt.“ Einen anderen Besuch zeigt das Bild darunter: den der heiligen drei Könige – ursprünglich weise Sterndeuter aus dem Morgenland – beim Christkind im Stall von Bethlehem. Kleinert liest in beiden Darstellungen Interesse an Personen und Ereignissen andernorts und weltweite Verbundenheit der Weisen. Die dritte Szene darunter zeigt, wie der jüdische Christenverfolger, hebräisch Saulus, römisch Paulus, hier als Soldat, vor Damaskus von einer ungeheuren Lichterscheinung samt Pferd zu Boden geworfen wird und die Stimme von Jesus Christus vernimmt, der aus Wolken vom Himmel schaut: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ Ganz unten schließlich sind in einem unbemalten Steinrelief Begebenheiten aus dem Leben des alttestamentlichen Josua und der Israeliten zu sehen, meist Kriegsgemetzel. In diesem Heerführer muss sich Moritz ebenso gesehen haben wie in Salomo, einem der drei Könige und in Paulus.
Information
Ulfrid Kleinert (Hg.): Biblische Farbenpracht. Notschriften-Verlag, Radebeul 2024, 88 Seiten, Euro 16,90.
Tomas Gärtner
Tomas Gärner ist Journalist. Er lebt und arbeitet in Dresden.