Zunächst der Titel Rom ist kein Gegner. Das ist so absurd banal wie die Aussage eines Feuerwehrmannes: „Feuer ist heiß.“ Nun können der Autor und sein Interviewer vielleicht nichts für diesen Titel. Aber in das Interviewbuch vom Chefredakteur der Herder Korrespondenz, Stefan Orth, mit dem Limburger Bischof Georg Bätzing wird man durch so einen Titel nicht gerade gelockt. Und eines wird schon hier recht deutlich: Dieses Buch lebt davon, dass man die internen Diskussionen in der römisch-katholischen Kirche recht genau kennen muss, um die darin versteckten Pointen zu finden. Denn die gibt es durchaus.
Bischof Bätzing, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, wird von vielen konservativen Frontmännern in der Weltkirche als ein blindwütiger Reformapostel und Vatikan-Gegner verzerrt dargestellt – und in dieser Logik hat dann der Titel Rom ist kein Gegner natürlich seinen Sinn. Dabei ist von den ersten Seiten des Bandes an deutlich, dass Bätzing sich hier als ein loyaler Sohn der Kirche und insgesamt gehorsamer Diener des Papstes darstellen will. Und als jemand, der doch ganz schön fromm und eucharistisch geprägt sei. Zitat: „Auch alle Übertreibungen sind mir fremd. Aber ich lebe aus der täglichen Feier der Heiligen Messe.“ Zwischen den Zeilen ist das wohl als Mitteilung an seine konservativen Gegner zu verstehen: Schaut mal, der ist doch gar nicht so böse, sondern richtig fromm und einer von Euch! Der will doch nur ein bisschen Reformen und gar nicht die Kirche vom Kopf auf die Füße stellen!
Rom ist kein Gegner ist also ein kirchenpolitisch platziertes Buch, das sich in die aktuelle Debatte um die Zukunft des Synodalen Weges in Deutschland und um mögliche Reformen nach der Weltsynode in Rom einmischen will. Und hier liest man dann tatsächlich, etwas in Watte verpackt, all die Positionen, für die Bischof Bätzing seit Jahren steht: Frauendiakonat, mehr Autonomie der nationalen oder kontinentalen Bischofskonferenzen, mehr Mitbestimmung der Laien, vor allem der Frauen in den Entscheidungen der Kirche und so weiter. Das ist für die Fachleute nicht besonders überraschend, aber das Buch richtet sich ja nicht nur an sie.
Wie oft bei Interviewbüchern mit Kapiteln über die Herkunft der Befragten sind die Abschnitte besonders interessant, die schildern, wie jemand wurde, was er oder sie ist. So auch hier: Bätzing präsentiert sich als jemand, dem der Beruf des Priesters von Kindheit an als das Selbstverständlichste der Welt erschien. Große Zweifel an diesem doch radikalen Lebensweg ohne Familie (und Sex) sind ihm offenbar nie oder fast nie gekommen. Das ist erfrischend. Denn mittlerweile gehört es ja schon fast zum guten Ton von katholischen Priestern, öffentlich ihre gelegentlichen Zweifel an Gott oder an ihrer Berufung zu betonen (ganz zu schweigen von der Freundin, die man notgedrungen um der Priesterschaft willen schweren Herzens zurücklassen musste).
Noch etwas anderes fesselt: Der Limburger Bischof lässt deutlich seine schon frühe Distanz zum weltweiten Spiel in der Papstkirche durchblicken. Ein Treffen angehender Priester mit Papst Johannes Paul II. 1980 lässt er sausen, ebenso die Möglichkeit eines Studiums im Germanicum, der Kaderschmiede der Weltkirche in Rom. In beiden Fällen ist die Begründung ein wenig seltsam, bei der Germanicum-Frage sagt Bätzing: „Diese Welt wäre für mich zu groß gewesen.“ Das ist ein wichtiger Satz, um den Limburger Bischof zu verstehen. Und insofern passt der Titel des Buches vielleicht doch auf eine tiefgründigere Weise: Rom ist Bätzing kein Gegner, aber doch sehr fremd. Und das könnte ein Problem für die katholische Kirche in Deutschland sein.
Philipp Gessler
Philipp Gessler ist Redakteur der "zeitzeichen". Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Ökumene.