Der Stadtplaner Tobias Meier untersucht in seinem Buch Community Organizing und kommunale Religionspolitik in der postsäkularen Stadt die Rolle von Religionsgemeinschaften in der Stadtplanung. Er greift dabei die These des Soziologen Jürgen Habermas von der „postsäkularen Gesellschaft“ auf, die sich auf ein „Fortbestehen religiöser Gemeinschaften in einer sich fortwährend säkularisierenden Umgebung einstellt“. Während Habermas sich angesichts aktueller Ereignisse, darunter auch Terroranschläge, um die Lösung von Problemen des „nachmetaphy-sischen Denkens“ bemüht, sucht Tobias Meier nach praktischen Möglichkeiten einer postsäkularen Stadtentwicklung.
Im Hinblick auf den Begriff der „kommunalen Religionspolitik“ ist es vielleicht sinnvoll zu erklären, was damit nicht gemeint ist. Es geht nicht um die Beschränkung der Religionsfreiheit durch Kommunalverwaltungen, die Trennung von Kirche und Staat soll nicht aufgehoben werden. Die Kommune, dafür bezieht sich Meier auf den französischen Stadtforscher Henri Lefebvre (1901–1991), sind die Bürger und Bürgerinnen, die Zivilgesellschaft. Gemeint sind unsere Aktivitäten und Ansprüche an die Gestaltung des städtischen Raumes sowie des Miteinanders in der Kommune. Von der Stadtverwaltung wird „Governance“ verlangt, ein stadtplanerischer Begriff für eine inklusive, demokratische Regierungskunst.
Der nächste schwierige Begriff ist das „Community Organizing“. Hierbei geht es um die Organisation von Organisationen, eine Verfahrensweise, die in amerikanischen Einwanderungsstadtteilen entwickelt worden ist und mit „Citizen Education“ verbunden ist, einer Art politischer Erwachsenenbildung, bei der die Angehörigen von Einwanderungsgemeinden mit den Freiheiten, Rechten und Pflichten der Verfassung und den Spielregeln der Demokratie vertraut gemacht werden. Diese Verfahren waren seit den 1970er-Jahren auch Gegenstand der Ausbildung von Sozial- und Gemeindearbeitern in einer der zentralen Fortbildungsstätten der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem Burckhardthaus in Gelnhausen. Nach der Wiedervereinigung wurde dieser Ansatz in der Bundesakademie für Kirche und Diakonie in Berlin gelehrt und gehörte dort zum Repertoire gemeindlicher Sozialarbeit.
Es geht Tobias Meier mit dem Begriff der „kommunalen Religionspolitik“ also nicht um die Fortsetzung irgendwelcher „-ismen“ wie Katholizismen, Protestantismen, Islamismen oder die Wiederbelebung von Orthodoxien. Es geht im Gegenteil darum, dass die Religionsgemeinschaften ihre Schneckenhäuser verlassen und mit der umgebenden Gesellschaft interagieren und kooperieren. In einer empirischen Studie stellt er fest, dass vieles bereits geschieht, aber nicht in dem Ausmaß, wie es eigentlich nötig wäre. Es gibt an verschiedenen Orten „Räte der Religionen“, „Lokale Interreligiöse Dialoginitiativen“, „Friedensinitiativen“, diverse „Interreligiöse Events“, „Offene Türen“, Arbeitsgemeinschaften und Allianzen. Der promovierte Stadtplaner, der an der Hochschule in Konstanz lehrt, untersucht die verbindenden Handlungsfelder: Erziehung, Bildung, Kultur, Soziales, Wirtschaft, Verkehr. Er beschreibt Projekte in Berlin, Hamburg, Leipzig und Köln.
All das wird diskutiert vor dem Hintergrund der großen Wanderungsbewegungen des 21. Jahrhunderts. Es geht um Konvivialität in den „Ankunftsorten“ (Doug Saunders), den „Aufbruch aus der Zwischenstadt“ (Klaus Schäfer), die gemeinsame Gestaltung der „Zones of Transition“ (Park) und die „Orte der Vielfalt.“ Probleme sollen bewusst gestaltet und gelöst werden, anstatt sie an die räumlichen Peripherien auszulagern und unsichtbar zu machen.
Peter Szynka
Dr. Peter Szynka ist Sozialwissenschaftler i.R. und war Landesreferent bei der Diakonie in Niedersachsen e.V. und Verwalter einer Professur für Soziale Arbeit an der Hochschule Hannover.