Taufrische Premiere

Der CD-Erstling des Hard Quartets

Auf See stehen die Buchstaben GQ für „Kann wegen des Wetters nicht zu Hilfe kommen“, vertrauter sind sie aber als Kürzel von „Gentlemen’s Quarterly“, dem Lifestyleblatt für urbane Heterosexuelle. Dass nach einiger Geheimniskrämerei ein exklusives Vorabstück zur neuen, New-York-basierten Supergroup The Hard Quartet und ihr 15-Songs-Debüt dort erschien, mag man bemerkenswert finden. Ist es Statement, Witz, Laune oder bloß Nähe zum Autor? Denn Lifestyletypen sind die Songwriter und Gitarristen Stephen Malkmus, Matt Sweeney, Emmett Kelly sowie Drummer Jim White eher nicht. Sie schillern nur als Puls gebende Indierock-Größen der letzten drei Jahrzehnte, sind als Frontman und Bandmate, Tour- oder Sessionmusiker verbunden mit hehren Namen der Szene. Nach etlichen Kollaborationen hatten sie die Idee, mal was zusammen zu machen, „abseits von Musikindustrietrends und sonstigen Erwartungen, nur nach eigenen Regeln“, was sich gleich mehr als gut angefühlt habe. So klingt auch die Musik auf dem vor Spielfreude und Facetten sprühenden Debüt. Einen „no-brainer“, ein Kinderspiel also, nennen sie das im Rückblick auf ihre ersten Sessions.

Rasch war klar, The Hard Quartet ist nicht bloß ein Projekt, vielmehr eine Band, ohne Anführer allerdings. Indie-Liebhaber lässt dieses Kollektiv satt in Assoziationen schwelgen, zeigt aber sofort markant eigenes Gesicht: „Chrome Mess“ mit fetter Verzerrung und gediegenem Noise ist ein Yo la Tengo-mäßiger Einstieg, der Psychedelic Folk von „Our Hometown Boy“ samt smartem Chorgesang mag manche an Big Star erinnern, „Renegade“ (Abtrünniger) ist pure Punkhärte, „Heel Highway“ eine sachte trippende, jedoch ungemein wärmende Ballade und „Action For Military Boys“ getunter Hardrock im Slade-Gefolge, die sie neben The Saints als Einflüsse nennen: stampfender Rhythmus, zerriebene Gitarrensoli, Fuzz-Gewitter und dann ein mandoliniger Progrock-Break: „You can’t see what you’re missing / when it’s dark and you are alone / survival is the mission“. Die letzten Worte sind dabei fast gesprochen. Es folgt poptobend der Refrain: „Action For Military Boys“. Ihre Lyrics changieren zwischen Alltagssituationen, surreal und Insider-Erzählen, doch findet man stets hinein. Die souverän mit Folk, Rockpatterns sowie galoppierenden Tempo- und Rhythmuswechseln protzende Musik öffnet die Tür. Die Truppe präsentiert sich grandios eingespielt, ist lodernd kreativ und ungemein catchy, also popbegabt in bestem Sinne, doch nie platt eingängig. Wie sie damit alle Spotify-Spielregeln ignorieren, tut befreiend wohl. Und Malkmus’ unnachahmlicher, seifig-juveniler Gesang ist ein Genuss für sich. Ein Album, das auch noch in 30 Jahren taufrisch klingen wird: Musik für Emanzipierte mit Herz für Abgrund und Lebensfreude.

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