Türe auf

Pflege von Geist und Seele

"Zum entwickelten Menschsein gehört freilich nicht nur die Körperpflege, sondern auch die Pflege von Geist und Seele.“ Wer Ruhe und Zuspruch benötigt, wer Ausschau hält nach Eintracht und „Lindigkeit“, das heißt Freundlichkeit, Güte, Milde, Nachsicht – ein geliebtes Wort dieses Predigers –, möge nach diesem Buch greifen. Im Anschluss an den elementaren Satz von der Pflege, kann einem die vierte Strophe von Zinzendorfs „Jesus geh voran“ einfallen: „Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang. Führst du uns durch raue Wege, gib uns auch die nötge Pflege; tu uns nach dem Lauf deine Türe auf.“

Ordne unsern Gang: Karl-Heinrich Lütcke, geboren 1940, war Studienleiter am Predigerseminar in Württemberg. 1977 wurde er ins Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (West) berufen. Von 1990 an war er bis 2005 Propst und damit Theologischer Leiter des Konsistoriums und Stellvertreter der Bischöfe Martin Kruse und Wolfgang Huber. Die beiden unterschiedlichen episkopalen Leiter waren froh, dass sie Lütcke an ihrer Seite hatten.

Er weiß, was das entscheidende Ereignis auch seines Lebens und seiner Laufbahn ist: „Ostern, die Auferstehung Christi, steht für den Sieg des Lebens über den Tod, für die Kraft Gottes, die neuen Lebensatem und neuen Lebensmut schenkt. Was als Ende aller Hoffnung erschien, der Tod Christi am Kreuz, das wendet sich zum Beginn neuen Lebens … Das ist Gegenwart Christi unter uns. Wir müssen uns nur die Augen öffnen lassen.“ Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.

Führst du uns durch raue Wege: Die Zusammenführung – nach der friedlichen Revolution 1989 – der EKiBB Ost und West ist in Lütckes Dienstzeit die raueste Etappe, die er jedoch gemeinsam mit dem Propst der Ost-Region Hans-Otto Furian vor-züglich bewältigte: Lütcke und Furian waren Vor-Züge – starke Motoren – in dieser Wiedervereinigung.

Wie gingen Pröpste ihre Aufgaben in einer so herausfordernden Situation an? Dadurch, dass sie das Grundamt der Kirche ausübten – nämlich Tröster und Seelsorger zu sein. Wie? Beim West-Propst ist zu hören: „Das hebräische Wort für trösten heißt eigentlich: machen, dass jemand wieder frei atmen kann. Eine schöne Aufgabe, Menschen zu trösten, ihnen zu helfen, dass sie wieder frei atmen können.“

Gib uns auch die nöt‘ge Pflege: Wie? „Wir schauen dankend … ins Auge Gottes, der uns Leben und Nahrung schenkt. In solchem Danken treten wir heraus aus dem alltäglichen Lebensgefühl, in dem uns so selbstverständlich wird, was wir haben.“ Und da weiß der Autor, was gerade Evangelische zu bewähren haben: „Evangelisch sein heißt: Weil wir im Glauben, im Gottvertrauen frei werden von der Lebensangst, können wir mit Ernst und Engagement, gewissenhaft und sorgsam unseren Alltag bestehen, Verantwortung wahrnehmen für die Welt, leben nicht jenseits der Liebe, sondern im Kraftzentrum der Liebe Gottes.“

Tu uns nach dem Lauf deine Türe auf: Lütcke ist in seinem Lauf ein „getreuer Eckart“, das heißt, er ist ein Vermittler, einer, der in schwierigen Lagen den Karren, der vom Weg abgekommen ist und festsitzt, herauszieht.

Dem Rezensenten jedoch fehlen recht eigentlich in seinem Buch explizite Ausblicke in die Ewigkeit Gottes. Es kann sein, dass das Buch einen Mangel an erfreulichen eschatologischen Perspektiven hat. Denn gewiss ist ja, dass es zum Trost und zur Freude – nicht nur von Pröpsten – in der „lieben Ewigkeit“ keine Konsistorien mehr gibt.

Bis dahin jedoch ist zu lernen: „Paulus kennt sicher beides: die Todesangst und die Todessehnsucht. Aber der Glaube an Christus befreit ihn davon. Er hat keine Angst vor dem Sterben, denn er weiß: Er ist dann bei Gott mit Christus. Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn.“ Womöglich vermag man über die Ewigkeit redlicherweise gar nicht mehr zu sagen. Jedoch können die Leser dieses Buches sich vorstellen, was Propst Lütcke im Himmel für eine Aufgabe hat: Er hält „nach dem Lauf seine Türe auf“.

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