Wollen wir gewinnen?

Die Bilanz bei den UN-Nachhaltigkeitszielen ist schlecht
Foto: Rolf Zöllner

Wenn bei einem Fußballspiel eine Mannschaft in der ersten Halbzeit schwach gespielt hat, hinter den selbstgesteckten Zielen zurückliegt, ist noch nicht alles verloren. So manches Match wurde noch in der zweiten Halbzeit gedreht, manchmal sogar bei hohem Rückstand. Aber dazu muss ein Ruck durch die Mannschaft gehen, sie muss mit einer anderen Einstellung zurück auf den Platz, vielleicht auch mit dem einen oder anderen neuen Spieler. Und es braucht klare Worte des Trainers, eine Kabinenansprache, die die Misere klar schildert und zum Bessermachen motiviert.

Eine solche kam kürzlich aus New York, genauer aus dem Büro des UN-General­sekretärs António Guterres. Anlass ist die Halbzeitbilanz der nachhaltigen Entwicklungsziele, kurz SDGs oder auch Agenda 2030 genannt. 2015 haben sich die UN-Mitglied­staaten auf die 17 Ziele geeinigt, ein umfassender Fahrplan für eine bessere Welt, der saubere Umwelt, gerechte Gesell­schaften, Wohlfahrt und wirtschaftliche Entwicklung miteinander verknüpft. Und das nicht nur für die Entwicklungsländer, sondern für alle Staaten. Denn auch Deutschland hat etwa mit Blick auf Gleichstellung, Bildungsgerechtigkeit, Gesundheitsvorsorge und Klimaschutz noch „Potenzial nach oben“.

Bis 2030 sollen die 17 Ziele und die 169 Unterziele erreicht sein, aber die Halbzeitbilanz fällt schlecht aus. Nur bei 12 Prozent der 140 untersuchten Ziele ist das Team der Weltgemeinschaft im Plan, bei mehr als einem Drittel gab es keinen Fortschritt, manchmal sogar Rückschritte, beim Rest hinken wir den Zielen hinterher. „Die SDGs verschwinden im Rückspiegel und mit ihnen die Hoffnungen und Rechte der gegen­wärtigen und kommenden Generationen“, erklärte Guterres vor wenigen Wochen. Als Gründe nannte er die Covid-Pandemie, den Krieg in der Ukra­ine und die bereits spürbaren Folgen des Klima­wandels. Wenn wir in diesem Tempo weiter­machen, so Guterres, werden 2030 noch 575 Millionen Menschen in extremer Armut leben, wird es noch 286 Jahre dauern, bis die Gender Gaps geschlossen sind, und 300 Millionen Kinder und Jugendliche werden weiterhin nicht schreiben und lesen können.

Ok, Trainer, wie drehen wir das Spiel? „Der SDG-Gipfel im September muss einen Wendepunkt markieren.“ Dann sind die Staats- und Regierungschefs nach New York geladen. Und neben markigen Worten nennt Guterres auch konkrete Handlungsfelder. Zum Beispiel die weltweite Finanzarchitektur verbessern, aber auch mehr Geld für die SDGs bereitstellen, 500 Milliarden Euro pro Jahr.

Doch es geht es auch darum, im eigenen Land die Agenda 2030 als Querschnittsaufgabe in allen Politikfeldern ernst zu nehmen, denn 65 Prozent der Ziele liegen in der Verantwortung der regionalen Politik. Auch die Zivilgesellschaft, nicht zuletzt die Kirchen, muss ihren Anteil leisten. Wie das genau aussehen kann, wird in den kommenden Wochen an verschiedenen Orten besprochen, etwa beim Kirchentag in Nürnberg oder auf einer hochrangigen Konferenz in Berlin, zu der EKD, Brot für die Welt, Diakonie Deutschland und die Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen viele Expert:innen einladen. Wichtig bei all diesen Beratungen ist die Grundhaltung: Das Spiel ist noch nicht verloren.
Aber wir müssen gewinnen wollen!

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Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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