Korn und Sinn

Schrammeln, schmeichelnd-warm

Trocken kann ein Text noch so bescheuert klingen, durch Musik und Interpreten wird daraus mitunter ein großer Song. So, wenn man denn unbedingt einen will, der Tenor in Bob Dylans starkem Buch „Die Philosophie des modernen Songs“, in dem er 66 davon präsentiert, die alle nicht er geschrieben hat.

Die in Essen im Ruhrgebiet ansässigen Pedro Crecenti und Peter Rubel alias The Düsseldorf Düsterboys sind Musiker, Interpreten und Texter, denen auf ihrem Album „Duo Duo“ gleich etliche große Songs gelingen. Grundlage sind Folkweisen, manche mit Tropicalismo oder Störgeräuschen grundiert: Wir hören viel Gitarre, Picking und Schrammeln, Piano, Bass, selten nur Drums und Percussion, Flöte, Streicher und immer schmeichelnd warmen Lead-, Duett- und Harmoniegesang. Was wie Wohlfühlmusik erscheint, erzeugt mit zunächst ebenso arglos wirkenden Texten eine Tiefe, die wie von selbst aus entspanntem Abhängen, trauter Zweisamkeit, Gedankenfluten und lässiger Traumhellsicht zu sprudeln scheint. Ein seltsames Gebräu, das dauernd zum Nachschenken verlockt, da es stets was zu entdecken gibt. Rasch traut man ihnen gar zu, noch aus Quark- und Marmeladespuren auf Frühstücksbrettern Poesie zu schöpfen. Ihre Songs zehren vom unverdächtigen, doch genau beobachteten Alltag. Virtuos schöpfen sie davon angestoßene Bild- und Assoziationsverläufe ab, die sie collagieren und zu Perspektiven schichten, die sonst übersehen blieben. Das schafft den besonderen Schliff.

Unser prompter Liebling „Korn auf Korn“ etwa lässt ja ein Sauflied erwarten, erweist sich aber als Preziose, die so locker wie ernüchtert, doch gar nicht schmerzhaft das große Lebensganze in den Blick bekommt. Sie fasziniert mit wunderbarem Ohrwurm-Refrain: „Ist der Horizont gerade? / Ja, das ist er, ach wie schade. / Ich wollt’, er wär’ gewellt / oder vertikal.“ Satte Ernte von tonnenleichtem Strandsinnieren zwischen „Guten Tag, Loreley, bist du / auch wie ich aus Blei?“-Blödelei und soliden Weisheiten: „Korn auf Korn, kleiner / Kiesel, wo geht’s lang? / Diese Straße ist verbrannt / in 1000 Jahren nur noch Sand.“

Beispiele dieser Art sowie Arrangements von großem Zauber bietet das Album zuhauf. Julia Friese nannte es in der Zeit „Dada-Minne“, was ihr FAZ-Kollege Jan Wieler als unübertreffbar zitierte. Wir loben die aufmerksame Feinsinnigkeit und stimmen zu. Zwar ist dies noch nicht der fällige Hype, aber bereits ein Chor – geteilte Begeisterung sowieso, in diesem Falle also mit Leitmedien. Die Welt jedoch, in die uns Düsterboys-Songs führen, kennt solche Begriffe nicht. Sie ist verlässlich warm und über „Lavendeltreppen“ betretbar, denen Streicher derart intensiv eine Oriental-Rampe bauen, dass es als veritabler Schanzentisch wirkt: Darauf lässt sich wohlig abheben. Und sein. Chapeau.

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Rezensionen