Erleben wie Luther

Das Escapespiel in Wittenberg macht die Bibelübersetzung zum Erlebnis
Escapespiel
Foto: Kathrin Jütte
Für das Spiel können auf der Suche nach des Rätsels Lösung bis zu fünf Räume durchforstet werden, wie zum Beispiel die Druckwerkstatt.

Ein Hort des Wissens und dessen Vermittlung war das Wittenberger Augusteum schon vor fast fünfhundert Jahren, mit der Universitätsbibliothek, den Studentenstuben, später mit dem evangelischen Predigerseminar. Heute, fünfhundert Jahre nach Luthers Bibelübersetzung und dem Druck des Septembertestaments in Wittenberg, setzt sich die Tradition in einfallsreicher Inszenierung fort.

Die Besucherin betritt den Eingangsraum der Ausstellung „Tatort 1522“, eine von Bühnenmalern illustrierte Bibliothek. Es riecht nach frischem Holz und Farbe. Eine Lutherbibel in der Vitrine sucht sie in dieser Kulisse vergebens. Denn wie Martin Luther das Neue Testament übersetzt hat, wer mit im Team war, welche Rolle der Kurfürst gespielt hat, das erfährt die Besucherin nicht in einer herkömmlichen Ausstellung mit in Vitrinen platzierten Exponaten, sondern nach und nach, wenn sie die teils kniffligen, teils verworrenen Rätsel löst. Doch zuvor gibt eine Spielleiterin eine Einführung.

Originelle Inszenierung

Escape Room heißt die neue Art der Wissensvermittlung. Hier im Augusteum sind gleich fünf Räume realitätsgetreu nachgebaut, in denen die Spielerinnen und Spieler jeweils innerhalb von eineinhalb Stunden unterschiedliche Rätsel lösen müssen. Imaginäres Ziel ist es, die verschollene Übersetzung des Neuen Testaments zu finden. Fünf Räume sind entstanden, die zentral für Luthers Übersetzung waren, angelehnt an das mittelalterliche Wittenberg: das Übersetzungsbüro Phi­lipp Melanchthons, die Druckerwerkstatt Melchior Lotters, Lucas Cranachs Maleratelier, ein repräsentativer Saal des Kurfürsten und eine Küche. Sie alle bergen fünf Rätsel, die es zu entschlüsseln gilt. Und nur denjenigen, welche die richtigen Kombinationen erraten, öffnen sich die Schlösser hinaus in den nächsten Raum.

So gilt es zum Beispiel in der Küche, einen Korb mit Lebensmitteln vom Markt zu überprüfen. Die „Eynkauffsliste“ mit Ryben, Aepfeln und Kyrbys hält – richtig gelesen und ausgewertet – einen Zahlencode bereit. Dafür braucht es ein Auge für Details, zudem Geduld und Zusammenarbeit im Team. In jedem Raum befindet sich eine Glocke, die den Spielleiter alarmieren kann, wenn die Gruppe einmal nicht weiterweiß. In den einzelnen Räumen begegnet der Besucher prominenten Zeitgenossen wie Johannes Bugenhagen oder Georg Spalatin, die als Hörspiel im Dialog sind. „Such das Buch, finde die Schlüssel“, werden die Mitspieler angespornt. Dabei gilt es, zu sortieren, kombinieren, zählen, zu lauschen und zu lesen. Familien, Schulklassen, Erwachsenen- oder Konfirmandengruppen – sie alle erwartet im Wittenberger Augusteum Rätselfreude, Kommunikation im Team und unerwartetes Wissen über das, was auf der Wartburg begann und in Wittenberg zu Ende gebracht wurde. Denn hier bearbeitete Luther das Manuskript nochmals und ließ im September 1522 die für die damalige Zeit große Menge von 3 000 Exemplaren der Bibel drucken.

Zu guter Letzt ein Raum für Vertiefung. Auf einer großen Wand sind Wortfindungen Luthers dokumentiert: ein Herz und eine Seele, Denkzettel, Rotzlöffel, Machtwort und ein Buch mit sieben Siegeln. Sie alle verdeutlichen, wie stark Luther die moderne deutsche Sprache geprägt hat. Im Hintergrund ertönt der Popsong „Personal Jesus“ der britischen Band Depeche Mode. Moderne Bibelsongs stehen auf einer weiteren Wand, Songs wie „Wenn ein Mensch lebt“ von den Puhdys über „Beten“ von den Toten Hosen oder „One of us“ von Joan Osborne ertönen per Knopfdruck. Und am Ende steht der Fotopoint: In Zeiten von Instagram und Co können in originell gestalteten Bilderboxen Erinnerungsvideos aufgenommen werden. 

 

Die Ausstellung „Tatort 1522 – Das Escapespiel zur Lutherbibel“ ist noch bis zum 9. Juli im Augusteum, Collegienstraße 54, 06886 Lutherstadt Wittenberg geöffnet. Bis März dienstags bis sonntags, danach täglich. Der Besuch des Spiels ist nur nach vorheriger Buchung eines Zeitfensters möglich.

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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