Zusammenspiel

Musik und Spiritualität

Runde Geburtstage bieten Anlässe zum Innehalten und Sammeln. So liegt jetzt ein sorgfältig edierter Band zum 60. Geburtstag von Peter Bubmann vor, Professor für Praktische Theologie in Erlangen. Schon lange forscht er zu Fragen des Verhältnisses von Musik und Religion. Wie ein Cantus Firmus zieht sich die Identifizierung „musikalisch-religiöser Lebenskunst“ durch seine Beiträge. Sie auszumachen und Möglichkeiten für ihre Gestaltung aufzuzeigen, ist steter Antrieb für neue Studien.
Der Band ist thematisch gegliedert. Ein erster Abschnitt widmet sich der grundlegenden Bedeutung von Musik und den Zusammenhängen zwischen Musik und Religion. Worin bestehen Aufgaben und Profil protestantischer Kirchenmusik heute? Für Menschen unterschiedlicher Herkunft und Milieuzugehörigkeit bildet Kirchenmusik nicht nur das Zugangstor zum Glauben, sondern vertritt sogar häufig im Erleben und Gedächtnis das religiöse Ritual. Sie verbindet so individuelle Glaubenswege mit den tragenden Traditionen evangelischer Frömmigkeit. Den Bezugspunkt für „Musik als Freiheitsspiel“ bildet dabei Luthers Musiktheologie, die Bubmann in den Grunddimensionen der Kommunikation des Evangeliums für heutige Menschen entfaltet.

Um Stile und Qualität in der Kirchenmusik geht es in der nächsten Abteilung. Hier sind Forschungen zu neuen Musikstilen der vergangenen fünfzig Jahre versammelt, eingeleitet von grundlegenden Überlegungen zu einer kritischen Theo­rie der Popularmusik. Tatsächlich setzt Bubmann hier bei den Erkenntnissen der Frankfurter Schule zur Kulturindustrie an, gibt einen pointierten Überblick über deren Rezeption und Weiterentwicklung im Kontext der heutigen Erlebnisgesellschaft und bilanziert: Es gilt, wachsam zu bleiben und aktiv prophetisch zu widersprechen, wo die diakonisch-kommunikative Dimension von Popularmusik zur totalitären Manipulation missbraucht wird.
Um Musik als Chance für Gemeindeentwicklung gruppieren sich weitere Betrachtungen. In einer wird das Miteinander von kirchlichen Berufsgruppen (vor allem Pfarrerinnen und Kirchenmusiker) beleuchtet, jetzt gerade vielfach aktuell in der Arbeit mit gemischtprofessionellen Teams.

Was unterscheidet sie in ihren Herkunftsmilieus, ihrer Ausbildung, ihrer Machtposition und ihren Vorbereitungskulturen? Wie können die jeweiligen Spezialisierungen im Rahmen der gemeinsamen Verantwortung für das kirchliche Leben christliche Lebenskunst befördern? Am Ende steht eine Vision vom Zusammenspiel aller kirchlichen Berufsgruppen.
Natürlich gehören auch Studien zum Singen in den Band, denn Liedgut beheimatet und Singen vergemeinschaftet. Einem klaren Plädoyer für Kernliederlisten ist eines für die Teilnahme an religiösen Musical-Events an die Seite gestellt.

Besonders eindrucksvoll ist der Beitrag aus der Karwoche des ersten Corona-Jahres 2020 geraten. Mit der großen Unterbrechung von fast allem ist die christliche Lebenskunst mit dem ihr innewohnenden Potenzial herausgefordert. Bubmann verweist auf frühere Formen der Unterbrechung, die heute eher durch eskapistisches Reisen und die Daueraktivität der digitalisierten Erlebnisgesellschaft abgelöst worden sind. Die Generalpause des Karsamstages als Zwischenraum kann als Bild für eine theologisch-seelsorgliche und ästhetische Unterbrechungskunst dienen.

Der Erlanger Praktologe kombiniert in seinen Beiträgen nicht nur theologische und musikalische Aspekte, auch die Erkenntnisse anderer Disziplinen fließen in seine Reflexionen mit ein. Er schreibt in gut lesbarer Sprache und lässt seine Aufsätze nicht ausufern. So können sich alle Interessierten hoffentlich auf die nächste „Null“ im Lebensweg von Peter Bubmann freuen.

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