Unentbehrlich

Über das Christus-Zeugnis

Nach dem dreibändigen Jesus-Buch Benedikts XVI. ist Hans-Christian Kammlers Arbeit ein notwendiges evangelisches Pendant. Während Joseph Ratzinger einen Durchgang durch die Evangelien und die gesamte sonstige Überlieferung – von Matthäus 1 bis Offenbarung 22 – wagt, bezieht sich der Tübinger Neutestamentler Kammler in fünfzehn Studien auf die schlechterdings elementaren Hauptthemen des Christus-Zeugnisses des Neuen Testaments.

Bezeichnend ist, dass dieses Buch mit zwei Studien zum Kreuzestod und zur Auferstehung Jesu Christi beginnt. Kammler belegt in verständlicher Sprache und in luzider theologischer Arbeit – ohne sich im Klein-Klein exegetischer Einzelheiten zu verlieren –, was Hauptsache im Neuen Testament ist: Das irdische Ende des Nazareners am Kreuz und seine österliche Erweckung, die Theologie der Leidens- und der Ostergeschichte und die Bezeugung der Menschwerdung des Sohnes Gottes sind die Verstehensschlüssel des zweiten – eigentlich auch des ersten Teils – der Bibel. Also nicht wie bei Ratzinger führt vom Holz der Krippe her der Weg zur Erkenntnis der Person und des Werkes des Jesus Christus. Sondern vom Holz des Kreuzes und des weggerollten Steins am leeren Grab und dann vom Holz der Krippe her – in dieser Reihenfolge – ist zu hören, wer ER ist.

Gleichwohl stimmen Ratzinger und Kammler in ihrer exegetisch ausgewiesenen und dogmatisch reflektierten Grundthese überein: „In Jesus Christus ist das Geheimnis des einen Gottes persönlich anwesend“ (Ratzinger). „Der letzte und tiefste Grund des Kreuzes und der Auferstehung Jesu Christi ist, dass Gott der in Freiheit liebende Gott ist, als der er sich in Jesus Christus offenbart hat von Ewigkeit her: der ‚Immanuel‘ (Matthäus 1,23), der ‚Gott für uns‘ (Römer 8,31)“ (Kammler). Man mag denken, dass das doch selbstverständlich sei. Mitnichten. Auch wer nur wenig Zeit und Mühe auf die Lektüre derzeitiger wissenschaftlicher – und erst recht populärwissenschaftlicher – Jesus-Literatur aufwendet, sieht, dass (fast durchweg) der Geist liberaler Theologie richtungsweisend ist. Willi Marxsen (1919 – 1993) hat diesen Geist in die griffige Formulierung gefasst: „Die Sache Jesu geht weiter.“ Demgegenüber zeigt Hans-Christian Kammler, dass das Bekenntnis der göttlichen Würde Jesu Christi ursprünglich und bleibend und von alles entscheidender Bedeutung für die Beantwortung der Frage ist: „Wer ist dieser?“ – Präsens!

Kammlers Buch erscheint als Band zwei der neuen wissenschaftlichen Reihe „Lutherische Theologie im Gespräch“. Die damit verbundene Aussicht erfüllt dieses Werk insofern, als hier – der Weisung Luthers folgend – bibelkundlich so gearbeitet wird: „Wer diesen Mann, der da heißt Jesus Christus, Gottes Sohn, den wir Christen predigen, nicht recht und rein hat noch haben will, der lasse die Bibel in Ruhe. Das rate ich; er wird gewisslich zuschanden und wird, je mehr er studiert, um so blinder und toller.“

Hans-Christian Kammler konzentriert sich im Luther-Teil seiner Arbeit auf die Frage nach dem Verhältnis der Theologie des Paulus zu der Martin Luthers – besonders in der Rechtfertigungslehre. In seinen „Thesen zur Gegenwartsrelevanz der Rechtfertigungslehre Luthers“ zeigt der Autor: „Die das Evangelium bezeugende und sichernde Rechtfertigungslehre (Paulus‘ und Luthers) darf nicht zu einer religiösen Allerweltsweisheit werden, die sich von selbst und also auch ohne Christus versteht.“

Dieses Buch ist ein unentbehrliches evangelisches Hilfsmittel, um im Neuen Testament (und auch im Alten) nicht den roten Faden zu verlieren und – was für alle Exegese gelten sollte – den Hauptsatz der Bibel immer augenfälliger, differenzierter und schriftgemäßer wahrzunehmen: Das Heilshandeln Gottes ist Jesus Christus selbst in Person und Werk.

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