Persönlich

Deutsch-deutsche Geschichte
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In diesem persönlichsten seiner Bücher erzählt Hein von der Konkurrenz, in der sich DDR und BRD befunden haben.

Die hier edierten Texte nennt Christoph Hein zwar Anekdoten aus dem letzten deutsch-deutschen Krieg, doch möchte sich der Autor mit diesem Buch keinesfalls als kalter Krieger rühmen. In diesem sicher bisher persönlichsten seiner Bücher erzählt Hein vielmehr von seinem Leben und Erleben der Konkurrenz, in der sich die beiden Staaten DDR und BRD befunden haben.

Als kritischer Dramatiker und bald weit über die DDR hinaus bekannter Romanautor hatte er darunter zu leiden, dass in seinem Staat die Schriftsteller zumindest phasenweise politisch auf Linie gebracht und gehalten werden sollten. Solche Linientreue war für Hein wie für viele andere Künstler und Intellektuelle nur auf einer Schlangenlinie einzuhalten, auf der sie sich mit verdeckten Botschaften, trickreicher Camouflage und doppelbödigen Texten bewegten.

Immer drohte die Gefahr des Absturzes, und manches Werk erreichte seine Leser bestenfalls über einen westdeutschen Verlag.

Im Jahr 1987 hat Hein diesem unwürdigen Schauspiel ein Ende machen wollen und mutig in einer Rede auf dem X. Kongress des Schriftstellerverbandes der DDR die faktische Zensur durch den Staat beim Namen genannt. Dabei wollte er keineswegs als Dissident auftreten, vielmehr lag in seiner Rede eine Empfehlung an den Staat, nun endlich so selbstbewusst wie seine mündigen Bürger zu werden und auf die Zensur zu verzichten.

Ein frühes Zeugnis für die Bereitschaft der Künstler, den Spieß einmal umzudrehen und den Staat vorzuführen, bietet die Anekdote "Gegenlauschangriff", die dem Buch auch den Titel gegeben hat: Der damals schon prominente Schauspieler Manfred Krug lud 1976 Kollegen, Schriftsteller und hohe Funktionäre zu einem Gespräch über die kurz zuvor geschehene Ausbürgerung Wolf Biermanns in seine Wohnung ein, Krug hatte zuvor ein verdecktes Mikrophon angebracht und schnitt den ganzen Gesprächsverlauf mit.

Nunmehr konnte für jeden, der dem Schauspieler nahe genug stand, dokumentiert werden, wie sich die Vertreter der Macht gewunden haben, um dieses brutale Vorgehen gegen einen Künstler zu rechtfertigen. Die deutsche Einheit hat Christoph Hein dann nicht so sehr als das Ende des kalten Krieges erlebt, sondern wie ein „Shotgunwedding“, wie eine Einigung, bei der sich die wirtschaftlich überlegene Kriegspartei als Sieger am besiegten Land schadlos hält.

Hein hat dies persönlich insbesondere am Umgang mit den kulturellen Einrichtungen erlebt, als unter dem Diktat des Rotstifts viel an ostdeutschen Beständen abgewickelt wurde. Er zitiert einen hohen Ministerialbeamten, der gerade von einer Reise durch Thüringen und Sachsen zurückkommt und verwundert bis empört feststellt: „Dort gibt es ja alle dreißig, vierzig Kilometer ein Symphonierorchester! Das müssen wir schnellstens auf bundesdeutsches Niveau bringen!“

Für den Leser beklemmend ist es, mehr von Hein zu erfahren, mit welchen Intrigen ihm die angebotene Intendanz der renommierten Sprechbühne Berlins, des Deutschen Theaters, so verleidet worden ist, dass er schließlich auf dieses Angebot verzichtet hat. Hein ist lieber Schriftsteller im Hauptberuf geblieben, und möchte sich auch nicht als Märtyrer gerieren. So forderte er den Regisseur des so erfolgreichen Films „Das Leben der Anderen“ auf, den Namen Christoph Hein aus dem Abspann zu streichen, weil er der Ansicht war, dass der Film die Verhältnisse in der DDR der Achtzigerjahre nicht angemessen wiedergebe. So allgewaltig, wie die Staatsmacht hier dargestellt werde, sei sie zu dieser Zeit schon nicht mehr gewesen.

Der Schriftsteller Hein will sein Leben nicht neu schreiben müssen.

Friedrich Seven

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