Wunschlos lustig

Punktum

Das neue Jahr beginnt mit einer besinnlichen Auslese der Grußbotschaften und Glückwünsche zum Weihnachtsfest und Jahreswechsel. Im Hintergrund spielt dezentes Radio. Auf dem Küchenbuffet, für alle gut sichtbar dekoriert, steht meine Sammlung aus traditionellem Papier. Ein stolzes Konvolut von Schmuckbriefen mit Kurznachrichten und Glückwünschen. Dazwischen eine eher kleine Gruppe von Grußkarten mit wischbarer Unterschrift. Individualisierte Massenbriefe und Klappkarten wischfest, also mit gedruckter Unterschrift, haben hier keinen Platz.

Die entscheidende Frage bei der Betrachtung ist jetzt: Hat der Briefträger in diesem Jahr den gleichen Kreis der Zuwendung gebracht wie im Jahr zuvor? Spiegelt doch die Jahresendpost unerbittlich den Zusammenhalt von sozialer Beziehung und gesellschaftlicher Akzeptanz. Verglichen mit dem Vorjahr scheint es diesmal wieder gut gegangen. Die gleichbleibende Quote ist sogar ein stolzes Ergebnis, berücksichtigt man die Verdrängung klassischer Kommunikation durch digitale Medien. Darüber hinaus bescheinigt die analoge Post meinen Absenderinnen und Absendern ein positives Gesundheitszeugnis. Während sich das Gros der digitalen Verweigerer in biologischer Auflösung befindet, feiert der Kreis meiner Korrespondentinnen und Korrespondenten fröhliche Urständ. Und zwar handschriftlich, ausgeschnitten und manchmal beklebt.

Bleibt die Dunkelziffer der Mailbotschaften, die sich zum Jahresende durch den redaktionellen Verkehr drängelt. Sie alle haben „Neujahrswünsche“ gegoogelt und erfahren: „Elektronisch oder postalisch? Einem wichtigen Menschen werden Sie die Neujahrswünsche kaum per WhatsApp übermitteln, sondern wohl eher eine elegante Grußkarte mit passender Ansprache wählen.“

Eine Wünscheliste lädt danach die Netzgemeinde zum Download ein, wie wäre es mit „3,.. 2,.. 1,... Frohes Neues Jahr!“ oder „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ (von Erich Kästner). Womit wir wieder beim Thema der gekonnten Kurzbotschaften wären: Nur die Besten überdauern auf dem Küchenbuffet.

Bevor ich die Kartengrüße verstaue oder schweren Herzens entsorge, wäre zu überlegen: Ist in einer davon vielleicht die viel erhoffte Vision versteckt, der Ruck, der neue Aufruf für das neue Jahr? Während ich noch über die Mutter aller Grußworte nachdenke (die jüngste Neujahrsansprache ist eben erst verhallt), unterbricht mein Radio jäh die Gedanken. Irgendwo zwischen Tech-Nick und Check24 jingelt es in meinen Ohren: „Hauptsache, Ihr habt Spaß.“ Das hat gesessen! Und ich hatte noch gedacht, das „Geiz ist geil“ – erdacht vom Elektronik-Riesen-Bruder – wäre nicht mehr zu toppen. Miete? Klimawandel? Pflege? Prost Neujahr Leute, macht Euch keinen Kopf. Kurzer Rede langer Sinn: Stecker raus und Dankeschön-Karten schreiben.

Kathrin Jütte

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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