Reliefs aus Bildern

Modest Mussorgsky für vier
Bild
Eine lebendige Schau und eine über die wundersam exzentrisch-impressionistische Klangmalerei Mussorgskys hinaus weisende Visitenkarte ihres hochvirtuosen Interpreten.

Man kennt die „Bilder einer Ausstellung“ (1874) von Modest Mussorgsky (1839-1881) sowohl schwarz-weiß in der originalen Klavierfassung, als auch in Farbe durch die weitaus berühmter gewordene Fassung in der Bearbeitung für Orchester (1922) von Maurice Ravel (1875-1937). Damit trat der Zyklus seinen eigentlichen Siegeszug an, avancierte zu einem der meistgespielten Werke seiner Zeit und hat nun auch Dirk Mommertz, den Pianisten des Fauré Quartetts, gemeinsam mit seinem russischen Lehrer Grigory Gruzman, zu einer weiteren Adaption für Klavier und drei Streicher, kurzum: für das Fauré Quartett angestiftet.

Meist entstehen Adaptionen aus rein praktischen Erwägungen heraus: Man will das Werk mit seinen eigenen Möglichkeiten aufführen. Nicht immer können diese Fassungen dem Vorbild gerecht werden. Was das Fauré-Quartett - neben Dirk Mommertz Erika Geldsetzer (Violine), Sascha Frömbling (Bratsche) und Konstantin Heidrich (Cello) - aber aus dieser fein austarierten und tief in die Bilder eindringenden Fassung macht, ist von überwältigender farblicher Frische und kontrastschärfender Plastizität.

Wie die Bilder aus der Klangfläche herauswachsen und in ein sich vielfach aufschichtendes Relief verwandeln, hat eine unwiderstehliche Energie, die die Bilder wie restauriert und neu gehängt erscheinen lässt. So ist diese Hommage an das Bildwerk des beinahe in Vergessenheit geratenen Wiktor Alexandrowitsch Hartmann (1834-1873), dessen Bilder und Zeichnungen 1874 kurz nach seinem frühen Tod in der Akademie der Künste St. Petersburg ausgestellt und zum Ausgangspunkt dieses Zyklus’ wurden, kein historischer Katalog, sondern eine lebendige Schau und eine über die wundersam exzentrisch-impressionistische Klangmalerei Mussorgskys hinaus weisende, stampfend-dampfende, lichtweiß-glasmalerische Visitenkarte ihres hochvirtuosen Interpreten.

Das Fauré-Quartett schmeckt und spielt sich durch die Impressionen des Träumerischen wie des Grotesken mit einer schwebenden Verschmolzenheit, als wären es zwei, nicht acht Hände. Dabei verbinden diese Hände im Schlagen und Streichen, im Tupfen und Zupfen das gesamte Spektrum aufkommender Szenarien mit einer Urvertrautheit im Umgang mit den aufgezäumten Hörbildern, die das Erlebnis des so Erzählten vollkommen und zwischen den beiden Erstfassungen zu einer einmalig plastischen machen. Hören Sie, wie der klare Klavieranschlag seine wehende Wiederholung im Streicherklang findet, wie das grollende Wüten auf den Tasten zum berstenden Sprung auf den Saiten wird, wie die flüsternd getastete Melodie sich verliert im verwoben flirrenden Klang aus einem Bogen! Das ist die Begegnung zweier Größen und das Erleben eines Werkes, das nicht nur seinen Meister gefunden hat, sondern seinem wahren Entdecker begegnet.

Klaus-Martin Bresgott

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