Unvergesslich

Das Kronos Quartett in Afrika
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Die unterschiedlichen Klangkulturen von westlichen Streichern und traditionellen Musikern aus Mali, sind sich hier innig nah.

Mit seiner immensen Vielfalt an Rhythmen, Melodien, musikalischen Strukturen und Traditionen gilt Westafrika als reichhaltigste Musiklandschaft der Welt - und manchen gar als Wiege von Blues, Reggae und Rock. Mali sticht besonders hervor. Aus Mali stammende Musiker wie der Gitarrist Ali Farka Touré, die Vokalisten Salif Keita und Oumou Sangaré oder Koravirtuose Toumani Diabaté - die Kora ist eine Stegharfe - haben längst Weltruf. Kooperationen mit Taj Mahal oder Ry Cooder trugen wohl dazu bei.

Anlässlich des Albums „Ladilikan“ mag man nun meinen, es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, dass endlich auch das für erlesenen Geschmack bekannte Kronos Quartet auf Mali kommt. 1973 vom Geiger David Harrington in San Francisco gegründet, bringen die Streicher, die programmatisch für mehr als Kammermusik stehen, seit Jahren Fans von Neuer Musik, Pop, Jazz und Weltmusik zusammen. Die Dämme brachen spätestens, als sie nach Jazz-Ausflügen (Ornette Coleman, Charles Mingus) Jimi Hendrix-Songs für gestrichene und gezupfte Saiten arrangierten. Auf den Klangozean-Wellen surfen sie wie kaum jemand sonst, arbeiteten mit dem Avantgardisten John Zorn, den Minimalisten Terry Riley, Philip Glass und Steve Reich, Joan Armatrading, David Bowie und Texas-Jodler Don Walser, schrieben Musik für Filme und Ballett oder wandten sich flirrenden Klangwelten Bollywoods zu.

Jetzt also Mali, für das sie sich mit dem eigens dazu geformten „Trio Da Kali“ zusammengetan haben: Bandleader Lassana Diabaté spielt das Balafon, die afrikanische Mutter des Xylofons mit 22 Lauthölzern, Mamadou Kouyaté überaus funky die Bass-Ngoni, eine Spießlaute. Als Vokalistin ist Hawa Kassé Mady Diabaté dabei, Tochter von Malis größter traditionellen Sängerin Kassé Mady Diabaté. Wegen der Spannweite und Phrasierung ihrer Stimme vergleicht sie Kronos Quartet-Mastermind Harrington mit Gospelikone Mahalia Jackson! Ihre Stimme prägt die zehn Tracks. Satt, warm, eindringlich, sexy, ausweglos spirituell. Die Quartet-Virtuosen mit Violinen, Bratsche und Cello halten da bloß die Stange, aber überaus beeindruckend und einfühlsam. Sie quietschen und kratzen, wo es passt, setzen Kontrapunkte, nehmen Melodielinien auf und setzen Hawas mal marschierende, mal getragene Stimme im berauschenden Dialog immer wieder in Szene. Besonders unwiderstehlich sind „God Shall Wipe All Tears Away“, ein wenig bekannter Gospelsong von Mahalia Jackson, und der hinreißende Titelsong „Ladilikan“, der auch auf einem Gospel beruht. Pulsender Sound, starke Vocals und Grooves laden ein zum wohligen Eintauchen. Die unterschiedlichen Klangkulturen von westlichen Streichern und Griots (oder Jele), wie man traditionelle Sänger und Instrumentalisten in Mali nennt, sind sich hier innig nah. Das wunderbare Album ist ein unvergessliches Erlebnis.

Udo Feist

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