Wieder näher an die Gemeinde Gespräch mit dem Oldenburger Ex-Bischof Jan Janssen über seinen unerwarteten Rücktritt
zeitzeichen: Herr Pfarrer Janssen, es flossen Tränen, als Sie auf der vergangenen Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg erklärten, dass Sie als Bischof zurücktreten. Das kam für viele überraschend. Warum möchten Sie nicht mehr Bischof in Oldenburg sein?
JAN JANSSEN: Als ich im vergangenen Sommer auf mein zehntes Amtsjahr als Bischof zuging, habe ich intensiv überlegt, ob ich dieses Amt wirklich bis zum Ruhestand, also noch zwölf Jahre, ausfüllen soll oder ob ich noch mal eine neue Aufgabe suchen sollte. Ich bin 54 Jahre alt, jetzt ist die Kraft da, noch etwas Neues zu machen. Mir war klar, dass es auf jeden Fall wieder ein Pfarramt sein soll. Auch bei meinen vorherigen beruflichen Stationen in der Gemeinde, als Kirchentagspastor und auch jetzt als Bischof habe ich mein Amt immer als Pfarramt verstanden. Als sich dann die Perspektive eröffnete, Seemannspastor in Rotterdam zu werden, habe ich entschieden, darauf zuzugehen. Dass ich wieder näher an der Gemeinde arbeite - darauf freue ich mich sehr!
Als offizielle Begründung teilte die Oldenburger Synodenpräsidentin mit, dass Sie ihr gegenüber erklärt hätten, „die Verantwortung für die Weiterführung des Amtes“ nicht mehr tragen zu können. Wie ist das zu verstehen?
JAN JANSSEN: Das ist zunächst mal schlicht ein Zitat aus unserer kirchengesetzlichen Regelung über den Amtsverzicht des Bischofs. Aber nicht nur: Nach gut neun Jahren fand ich es an der Zeit, diese Verantwortung wieder abzugeben, und insofern ist diese Formulierung nicht nur eine notwendige Formalie gewesen, sondern ich kann sie durchaus für mich als passend interpretieren. Diese Entscheidung ist für mich persönlich absolut stimmig, und wenn ich damit ein Signal setze, grundsätzlich über die Sinnhaftigkeit lebenslanger Ämter nachzudenken, ist mir das durchaus recht. Es war mir auch wichtig, zuerst eine neue Aufgabe zu haben und dann erst meinen Amtsverzicht zu erklären, damit es keine Unsicherheit gibt, warum ich das Amt abgebe.
Sie sind jetzt wieder „normaler“ Pfarrer und vertreten sich als solcher selbst im Bischofsamt bis einschließlich Januar. Wieso wurden Sie nicht gleich seit Ihrem Rücktritt Ende November von einem der beiden theologischen Mitglieder des Oldenburger Oberkirchenrates vertreten?
JAN JANSSEN: Die oldenburgische Kirchenverfassung sieht vor, dass der Rücktritt eines Bischofs, wenn er ihn denn erklärt, sofort in Kraft zu treten hat. Das unterstellt einen harten Schnitt, aber genau den wollten wir auffangen, indem ich auf Bitten der Kirchenleitung das Amt kommissarisch noch drei Monate weiter ausübe, um die Vertretung darüber hinaus vorzubereiten. Zudem wird die oldenburgische Synode noch im Januar eine Sondersitzung abhalten, um zu beraten, wie das Bischofsamt und das Bischofsgesetz in der oldenburgischen Kirche künftig gestaltet werden.
Ihr Rücktritt aus freien Stücken, beziehungsweise „nur“ um eine andere Aufgabe zu übernehmen, ist in der Geschichte der EKD bisher in dieser Form einmalig. Nun werden Sie in Ihrer neuen Tätigkeit als Seemannspastor sicher auch weniger Gehalt bekommen als bis vor kurzem als Bischof. Haben Sie sich diesen Verzicht gut überlegt?
JAN JANSSEN: Ja, ich akzeptiere, dass zu diesem Amtsverzicht und den Wechsel ins Pfarramt das entsprechende Gehalt gehört.
Sind Sie der Auffassung, dass es generell besser wäre, wenn auch Bischofsämter befristet wären?
JAN JANSSEN: Ja, eine Befristung wäre zeitgemäßer, denn die Diversifizierung unserer Aufgaben schreitet voran, und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir als evangelische Kirche breit aufgestellt sein müssen und nicht so viel an Einzelne delegieren oder gar auf Einzelne projizieren sollten, sondern dass wir in einem guten Miteinander unterschiedlicher Talente und Charismen unseren Dienst tun.
Eine Befristung mag zeitgemäß sein, aber ist sie für das Bischofsamt auch angemessen? Als Einwand gegen eine Befristung wird immer wieder gesagt, dass eine solche die Unabhängigkeit eines Bischofs oder einer Bischöfin in ihrer Amtsführung einschränken würden, denn er oder sie wäre versucht, auf Personen oder Gremien Rücksicht zu nehmen, die für die Wiederwahl verantwortlich sind.
JAN JANSSEN: Dieses Argument überzeugt mich nicht. Die Verfassungen unserer Kirchen basieren alle auf dem Prinzip der Gewaltenteilung und nicht auf der Freiheit eines Einzelnen. Auch ein Bischof ist auf das Einvernehmen und die Zusammenarbeit mit den Gremien angewiesen.
Das sieht die römische-katholische Seite ganz anders, da gilt das Prinzip: Wo der Bischof ist, da ist die Kirche.
JAN JANSSEN: . mit allen Problemen, die wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, wenn da einer völlig alleinstehend vorgeht! Nein, ich empfinde unser evangelisches Prinzip der wechselseitigen Kontrolle als sehr wohltuend, und außerdem ist es gut biblisch: Schon Mose wird von Gott aufgefordert „siebzig Älteste“ zu suchen, damit sie gemeinsam die Last des Volkes tragen und er sie nicht allein tragen muss (4. Mose 4,16f.). Da scheint für mich schon das synodale Prinzip auf, das Kirchenleitung nach evangelischem Verständnis zugrunde liegt. Es geht ja immer wieder um das so genannte geistliche Leiten. Häufig wird suggeriert, dass das an Einzelpersonen hängt, aber das sehe ich biblisch nicht.
Ihr Amt in Rotterdam, das Sie in diesem Jahr antreten werden, ist zunächst auf fünf Jahre befristet. Könnten Sie sich vorstellen, danach möglicherweise woanders noch einmal Bischof zu werden?
JAN JANSSEN: Dieser Gedanke erscheint mir absurd! Ich will jetzt ins Pfarramt, und das soll auch so bleiben - das meine ich wirklich ernst. Fast zehn Jahre habe ich gerne meinen Beitrag im Bischofsamt geleistet - mit allen Kräften, die ich Gott sei Dank hatte. Es war eine prima Zeit, aber jetzt ist auch gut!
Jan Janssen war bis zu seinem Rücktritt Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg. Zuvor war er beim Deutschen Evangelischen Kirchentag und davor Gemeindepfarrer.
Das Gespräch führte Reinhard Mawick am 8. Dezember.
Jan Janssen