Umdenken

Rüstung und Umweltvernichtung
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Sternstein beschreibt ein Leben, wie es Mahatma Gandhi und Jesus von Nazareth vorgelebt haben, als Maßstab für eine „Wohlfahrt für alle“.

Der Stuttgarter Friedens- und Konfliktforscher Wolfgang Sternstein weiß genau, wovon er schreibt, wenn er die Jetzt-Zeit bewusst als „Endzeit“ beschreibt, weil das gigantische Zerstörungsmaterial an Atom- und anderen Waffen ganze Völker und am Ende wohl auch die ganze Menschheit und alles höhere Leben auf der Erde auszulöschen vermag.

Der Tag X kann aber auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden, wenn verantwortliche Regierungen, Parlamente und Einzelpersonen gegensteuern und ein für alle Mal „Friedenssicherung durch Abschreckung“ als Ideologie, als Aberglaube, als Unwahrheit bloßstellen und dagegen „Gewaltfreiheit“ praktizieren. Denn „Gewaltfreiheit ist beides zugleich, sie ist aktive Passivität oder passive Aktivität. Mit einem Satz: Sie ist die Kraft, welche die Gewalt überwindet und sie wieder aus der Welt schafft.“

Das ist das Credo, das Wolfgang Sternstein zeitlebens zum Widerstand gegen Atomrüstung und Umweltvernichtung motiviert hat. Obwohl Sternstein ganz sicher mit dem Tag X rechnet, lebt und wirkt er bewusst gegen dieses bittere Ende und ruft damit seine Leser zu Hoffnung und Widerstand im Atomzeitalter auf, weil er mit Václav Havel meint: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“

Diese harte Dialektik von weltweiter potenzieller Zerstörungsrealität und sinnvollem Widerstand gegen die Ideologien von Militarismus, Kapitalismus, Kommunismus und Fundamentalismus kann man aber nur durchhalten, wenn man wie der Autor die Klarheit einer radikalen Gesellschaftsanalyse besitzt und zugleich sein Handeln in der „Verankerung einer religiösen oder philosophischen Überwindung der Gewaltbereitschaft“ weiß. Nur so kann man die „Welt der Wahrheit“ aufbauen, wie sie Jesus von Nazareth oder Mahatma Gandhi vorlebte.

Deshalb geht es Wolfgang Sternstein zuerst um eine klare Gesellschaftsanalyse, in der er die verschiedenen Komponenten der durch Menschen gemachten Welt-Zerstörungs-Manie aufzeigt und mit Fakten belegt.

Kritisch sieht er in der kapitalistischen freien Marktwirtschaft, dass dort die Trennung von Produzent und Produktionsmittel, von Kapital und Arbeit herrschendes Prinzip ist und so immer im „Raubtierkapitalismus“ ein Wirtschaftskrieg entsteht, der in eine Kriegswirtschaft mündet. Beide „wechseln in schöner Reihenfolge ab, wobei der Wirtschaftskrieg mit dem Etikett Frieden versehen wird“. Mit dieser Kriegswirtschaft „bauen die Staaten Militärapparate auf, die sich mehr und mehr verselbständigen. Sie nehmen die Gestalt von Megamaschinen an, bei denen riesige Zahnräder in Aktion und Reaktion ineinandergreifen und die Menschen in zunehmendem Maße ihrer Entscheidungsfreiheit berauben“.

Zum anderen aber geht es Wolfgang Sternstein um ein praktiziertes gesellschaftliches Gegenkonzept, denn die Mahnrufe und das Handeln verantwortlicher Militärs sowie das Wirken Michail Gorbatschows, haben gezeigt, dass wir bisher nur durch besonnenes Handeln im Kalten Krieg vor dem Tag X im Atomzeitalter bewahrt wurden. General George Lee Butler, Oberkommandierender der amerikanischen Atomstreitkräfte von 1991-1994, stellte darum fest: „Wir sind im Kalten Krieg dem atomaren Holocaust nur durch eine Mischung von Sachverstand, Glück und göttlicher Fügung entgangen, und ich befürchte, das Letztgenannte hatte den größten Anteil daran.“

Wolfgang Sternsteins Gegenkonzept heißt darum „Soziale Verteidigung“, die auf Gandhis „Gesetz der Entstehung, Erhaltung, Vermehrung und Überwindung der Gewalt“ aufgebaut ist. Sie beinhaltet die Methode der gewaltfreien Konfliktaustragung in persönlichen und innerpolitischen Konflikten, in die die Bevölkerung eingeübt wird. Daraus wird ersichtlich, dass es um ein Leben geht, wie es Mahatma Gandhi und Jesus von Nazareth vorgelebt haben, auf die sich Wolfgang Sternstein bezieht, sie gut darstellt und als Maßstab für „Wohlfahrt für alle“ (Gandhi: „Sarvodaya“) gelten soll. Weil Wolfgang Sternsteins Buch in seiner radikalen Ernsthaftigkeit so wahr ist, wünscht man sich dieses als Pflichtlektüre nicht nur für Gleichgesinnte sondern auch für Politiker, Parlamentarier, Militärs und Staatsbeamte, damit sie ihr Denken und Handeln besser reflektieren können.

Christoph Körner

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