Es lässt sich herrlich streiten

In der Evangelischen Kirche wird eine lebhafte Debatte über Dienst, Amt und Ordination geführt
Die evangelische Ordination ist kein sakramentaler Akt. Foto: epd/ Rolf Zöllner
Die evangelische Ordination ist kein sakramentaler Akt. Foto: epd/ Rolf Zöllner
Das evangelische Ordinationsverständnis verändert sich und wird entsprechend kontrovers diskutiert - und damit verbunden die Ordinationspraxis. In den Landeskirchen ist man sich nicht einig, für welchen Kreis von Menschen eine Ordination möglich ist, erklärt Eberhard Hauschildt, Professor für Praktische Theologie an der Universität Bonn.

Ein Ordinationsgottesdienst: Die Kirche ist gefüllt. Im Mittelpunkt der besonderen Feier steht, dass eine Person ordiniert wird (oder mehrere). In einem liturgischen Akt wird sie gefragt und antwortet mit einem öffentlichen Ja und einem Gelöbnis. Daraufhin wird ihr unter Handauflegung der kirchliche „Dienst der Verkündigung“ übertragen. Es ist ein „Hirtenamt“, zu dem auch die Durchführung von Taufe und Abendmahl und die Wahrung des Beichtgeheimnisses gehören. So weit, so klar. Klar auch: Wenn denn alle Getauften nach evangelischem Verständnis das „allgemeine Priestertum“ innehaben, dann ist die evangelische Ordination anders als eine katholische Weihe.

Offensichtlich wird das dadurch, dass in römisch-katholischer Tradition von einem „Wesensunterschied“ zwischen Klerikern und Laien die Rede ist; er wird in einem sakramentalen Akt der Weihe durch den Bischof realisiert. Dagegen fallen bei vielen protestantischen Ordinationen die „Assistentinnen und Assistenten“ auf, die demonstrativ nach dem kirchenleitenden Ordinator ebenfalls die Hände auflegen, verbunden mit einem jeweils eigenen gewählten Bibelwort. Die Evangelische Kirche im Rheinland hat sogar festgelegt, dass es mindestens zwei Assistierende geben muss. Von denen muss einer ordiniert sein und ein anderer hat nicht ordiniert zu sein.

Es lässt sich also schon zeigen, wie die evangelische Ordination der Landeskirchen insgesamt ist - und dies im Wesentlichen seit der Reformation. Doch befindet sich das evangelische Ordinationsverständnis auch im Wandel und in der Diskussion - und damit verbunden ebenso die Ordinationspraxis.

Ordination ins Ehrenamt

Erst seit rund fünfzig Jahren werden in evangelischen Landeskirchen auch Frauen ordiniert. Heute fragt man sich, wieso es so lange dauern konnte, bis es dazu kam. Und bis vor kurzem war fast ausnahmslos gegeben: Wer ordiniert wird, muss ein universitäres Pfarramtsstudium in Theologie absolviert haben und wird bei der Kirche angestellt (oder auch beim Staat: zum Beispiel im Schulpfarramt, an der Universität). Inzwischen ist das anders. Seit 2012 ist EKD-weit geregelt, was Landeskirchen schon seit etwas längerer Zeit ermöglicht hatten: Es kann auch für eine ehrenamtliche Tätigkeit ordiniert werden. Während der so genannten Pfarrerschwemme in den Neunzigerjahren lag das durchaus im Interesse der Landeskirchen, als Alternative dort, wo man nicht alle mit abgeschlossener Vikariats-Ausbildung anstellen konnte oder wollte. Doch inzwischen gibt es auch Landeskirchen, die eine Ordination ins Ehrenamt auch Prädikantinnen und Prädikanten ermöglichen, ebenso auch eine Ordination von Personen in anderen kirchlichen Berufen (etwa Diakonin, Gemeindepädagoge).

Es wirkt sich hier aus, was vor allem seit dem 19. Jahrhundert gegenüber der Reformationszeit anders geworden ist: Das Feld kirchlicher Tätigkeitsrollen besteht nicht mehr einfach nur aus einem Gegenüber von ordinierten Pfarrern und den sonstigen Gemeindemitgliedern im allgemeinen Priestertum der Gläubigen/Getauften. Ein weiteres, anders gelagertes Gegenüber ist hinzugekommen: das von ehrenamtlicher und erwerbsberuflicher Arbeit in der Kirche - die wird inzwischen auch von Menschen in verschiedenen kirchlichen Berufen getan - und sie wird schon jetzt und in der Zukunft wohl noch mehr auch von Ehrenamtlichen geleistet, die nicht nur spontan dieses oder jenes tun, sondern bewusst im Auftrag von Gemeinde und Kirche auch für die Leitung in Gottesdiensten ohne Anwesenheit einer Pfarrerin oder eines Pfarrers einen Dienst leisten.

An Begriffen für eine Berufung in einen kirchlichen Dienst gibt es nicht nur den der Ordination. Im 19. Jahrhundert, als große selbstständige diakonische Anstalten mit vielen Diakonissen oder Diakonen entstanden, wurden diese zu ihrem lebenslangen Dienst vom pastoralen Leiter der Anstalt in einem Gottesdienst „eingesegnet“. Die Debatte um „den Diakonat“ des diakonischen Amtes hat bis heute zu keiner allgemeinen Klärung und Regelung gefunden. Außerdem erhalten Lehrerinnen und Lehrer für das Fach Evangelische Religion eine kirchliche „Vocatio“ (Berufung), die ebenfalls in einem Gottesdienst vollzogen wird.

Prädikantinnen und Prädikanten erhalten für ihren Dienst in den meisten Landeskirchen eine im Gottesdienst übertragene „Beauftragung“ für „das Amt der öffentlichen Wortverkündigung“ und - je nachdem - auch der „Sakramentsverwaltung“ (so die EKD-Agende). Hier wird also bewusst ein anderer Begriff als der der Ordination gewählt.

In bestimmter Hinsicht besteht zwischen Beauftragung und Ordination interessanterweise gerade kein Unterschied. Haben doch selbst die lutherischen Landeskirchen (hier: VELKD) gesagt: Diese Beauftragung der Prädikantinnen und Prädikanten fällt wie die Ordination unter das, was im Augsburger Bekenntnis des 16. Jahrhundert, Artikel 14, als rite vocatus (ordentliche Berufung zur öffentlichen Lehre und Verwaltung der Sakramente) bezeichnet ist. Auch Prädikanten können demnach eine Tätigkeit ausüben, die die deutschen Reformatoren damals ausschließlich für ordinierte Pfarrer vorgesehen hatten.

Vocatio statt Ordination

Dankenswerterweise hat die bei der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland angesiedelte Einrichtung „Kirchlicher Fernunterricht“ (Zentrale in Neudietendorf) auf ihrer Website eine Übersicht über die Prädikantinnen-Gesetze der verschiedenen Landeskirchen zusammengestellt. Diese Seite ermöglicht es, einen Überblick zu gewinnen. Die Lage stellt sich folgendermaßen dar: Den Begriff der Ordination verwenden für Prädikanten nur die Evangelische Kirche Mitteldeutschlands und die Evangelische Kirche im Rheinland. Die Kirche Mitteldeutschlands hat die bei ihr früher bestehende Möglichkeit, dass Mitarbeitende in anderen kirchlichen Berufen ebenfalls als Prädikantinnen und Prädikanten ordiniert werden konnten, inzwischen wieder aufgehoben. In der Evangelischen Kirche im Rheinland gibt es seit 2005 beide Möglichkeiten. Sie hat als einzige auch ein Ordinationsgesetz, das für die Ordination aller verschiedenen Gruppen gilt. Selbstverständlich findet sich dann auch für die Prädikanten die Ordination auf Dauer. Für die Beauftragung von Prädikantinnen haben das die Lutherischen Landeskirchen Bayern, Sachsen und die unierten Landeskirchen Kurhessen-Waldeck, Westfalen, Pfalz eingeführt. Eine weitere rheinische Besonderheit: Hier unterscheidet man terminologisch zwischen Pfarrerinnen und Pastoren. In beiden Fällen handelt es sich um ordinierte Universitätstheologen. Doch die Pfarrer sind zugleich Inhaber einer Pfarrstelle, was bei Pastoren nicht gegeben ist, weil sie ihren Dienst als Ordinierte ehrenamtlich ausüben.

Die meisten Landeskirchen sprechen bei den Prädikanten von „Beauftragung“. In vielen von ihnen macht sich der Unterschied zur Ordination auch darin bemerkbar, dass die Beauftragung auf?Zeit erfolgt (meistens auf sechs Jahre; in der Nordkirche auf fünf Jahre; in Oldenburg und der Reformierten Kirche sind es acht Jahre; in Hessen-Nassau, Braunschweig und Hannover gibt es Varianten der Beauftragung auf Zeit wie auch auf Dauer; die Bremische Evangelische Kirche macht keine Aussagen dazu und spricht nur von einer Berufung durch die Gemeinde.) Nach Ablauf der Frist kann diese verlängert werden.

In der Regel ist die Geltung der Prädikatinnenbeauftragung zusätzlich räumlich auf die Gemeinde oder den Kirchenkreis beschränkt. Nur bei den Landeskirchen mit Prädikantenordination gilt sie für die ganze Landeskirche. Bayern macht für die Beauftragung geltend: Sie gilt in Bayern; die Beauftragung auf Dauer „ruht“ aber bei Umzug in eine andere Landeskirche.

Da es so aussieht, dass es in Zukunft weniger Absolventen aus dem Pfarramtsstudiengang geben wird, als die Landeskirchen finanziell bezahlen könnten, werden der Druck und die Phantasie größer, auch über andere Ausbildungsgänge (etwa einen theologischen Masterstudiengang für Menschen aus anderen Berufen) die Möglichkeit zu schaffen, in eine Beschäftigung als Pfarrerin und Pfarrer zu gelangen. Auch das verändert die Ordination. Es zeigt nämlich auf, dass Berufsarbeitslogik längst in das Pfarramt eingezogen ist, auch wenn nicht Lohn, sondern Alimentation (also Entgelt für den nötigen Lebensunterhalt bei Vollbeschäftigung) als die richtige Bezeichnung gilt. Meines Erachtens lässt sich das so regeln, dass - ganz nach der Berufslogik - für den Pfarrdienst die Einheitsbesoldung auf A 13, die sich im 20. Jahrhundert eingebürgert hat, aufgegeben wird und, wie sonst bei Berufen, die Geldzahlung je nach Ausbildungstiefe und Verantwortungsbreite gestaffelt wird.

Neue Berufslogik

Man sieht: In den Landeskirchen ist man sich nicht ganz einig, für welchen Kreis von Menschen eine Ordination möglich ist, und auch bei den Details gibt es deutliche Unterschiede. In der Literatur ist die Spannbreite noch größer: So betont zum Beispiel der Praktische Theologe Peter Bubmann: Jede Berufung von Menschen in den diakonischen und religionspädagogischen Berufen in einen kirchlichen evangelischen Dienst soll ökumenisch als gleich zum ordinierten Dienst gelten; „Beauftragung“ sei ein Unterfall für die Tätigkeiten, bei denen ein Schwerpunkt auf (gottesdienstlicher) Verkündigung und Sakramentsdienst liegt; die evangelische „Ordination“ davon wieder ein Unterfall, wenn damit eine kirchliche Repräsentations- und Leitungstätigkeit verbunden ist.

Der Systematiker Jochen Arnold macht sich stark dafür: „Das kirchenmusikalische Amt muss zumindest dem Status des Prädikantenamtes gleichgestellt werden.“

Die lebhafte innerevangelische Debatte um Dienst, Amt und Ordination ist alles andere als schlimm. Auch wenn sich herrlich darüber streiten lässt, welche Regelung die bessere und theologisch konsequentere sei - eines tritt deutlich zutage: Diese Unschärfen bei der Ordination sind für Protestanten kein Grund, sich nicht miteinander in der EKD als eine Kirche zu verstehen. Ob man es so oder so regelt, davon hängt die kirchliche Zusammengehörigkeit und die weitgehende gegenseitige Anerkennung nicht ab. Und das ist ganz nahe bei dem, was die Reformatoren im 16. Jahrhundert wollten.

Eberhard Hauschildt

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