Aus Dornröschenschlaf erwacht

Die Bückeburger Schlosskapelle erstrahlt in neuem Glanz
Foto: pixelio/Dietmar Meinert
Nicht zu fassen - ist das heute wirklich eine reformierte Kirche?

Eine barocke Front, in der Mitte ein spätmittelalterlicher Wehrtum, dahinter ein märchenhafter Renaissance-Bau, so präsentiert sich Schloss Bückeburg im Schaumburg Lipper Land. Seit rund siebenhundert Jahre spielt sich hier das Leben der Schaumburger Fürsten ab, Wohn- und Festräume, ein goldener Saal, verwunschene Treppen und Galerien umschließen den alten Innenhof, der erst auf den zweiten Blick ahnen lässt, welches Kleinod sich hier versteckt. Unter dem steinernen heiligen Christophorus findet sich eine unscheinbare, gedrungene Holztür, in dem der Schlüssel des vierhundert Jahre alten Eisenschlosses wohl schon tausendmal umgedreht wurde. Ein Sesam-öffne-dich?

Die Schlosskapelle. Atemberaubend, respekteinflößend. Welche Fülle an Gold, Malerei, Putten, Engeln und Schnitzwerk findet sich im Dämmerlicht, mit einem Blick nicht zu erfassen. Hier hat sich ein echter Renaissancefürst verewigt, Fürst Ernst zu Holstein-Schaumburg, Lutheraner, Kunstkenner und -liebhaber, der einige Male nach Italien reiste, um sich inspirieren zu lassen. Gleich zu Beginn des 17. Jahrhunderts begann er mit dem Ausbau im Stil des Manierismus, einer Kunstrichtung, die die kurze Übergangsphase von der Renaissance zum Barock kennzeichnet. Übertreibung, schöner als schön, war die Devise, mit der der Fürst ans Werk ging, und 13 Jahre lang fertigten Künstler Schnitzwerk aus Lindenholz, glänzend mit Blattgold überzogen, Meister füllten das Kreuzrippengewölbe bis in den letzten Winkel mit Fresken aus dem christlichen Leben.

Wohl den besten Blick darauf hat bis heute der Fürst des Hauses aus seiner oben liegenden Loge mit den drei Öffnungen. Die Mittlere umgeben von den Tugenden Mäßigkeit und Weisheit, darunter ein Engel mit Trompete und ein Gemälde vom Jüngsten Gericht. Blickt der Fürst von oben herab, so staunt die Besucherin hinauf - zur gegenüberliegenden Kanzelwand, dem imposanten Altartisch, getragen von zwei übergroßen Lichtgestalten, Fackelhaltern. Nicht zu fassen - ist das heute wirklich eine reformierte Kirche? Mit Ernst starb 1622 die Linie der evangelisch-lutherischen Holstein-Schaumburger Fürsten aus, es folgten die Schaumburg-Lipper, nun evangelisch-reformiert. Dem Grafen, immer auch Oberhaupt der Kirche seines Landes, grauste es beim Anblick all des Prunks. Schlicht muss es sein, so gebietet es der reformierte Glaube und schnell übertünchte man die Fresken und Bilder mit Kalk, entfernte goldene Putten und Engel, die jedoch zum Glück wohl verwahrt blieben.

Dreihundert Jahre lag die Kapelle im Dornröschenschlaf und erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde man sich bei Renovierungsarbeiten dieses Schatzes wieder bewusst. Es dauerte Jahre, bis der Kalkputz abgeklopft war und die Farbenpracht frei lag. Wenn das Sonnenlicht günstig durch die gotischen Spitzfenster mit dem matten, grau-rosa Glas fällt, entdeckt man den Glanz und die Fülle biblischer Szenen. Auch alle Schnitzarbeiten finden sich wieder an Ort und Stelle, sodass der Innenraum in seiner Gesamtheit ein einzigartiges Zeugnis des Manierismus ist.

Doch halt - das ist noch nicht alles. Im Altarbereich liegen goldene Kreuze auf den Bodenfliesen, unter denen die Herzen einiger Familienmitglieder bestattet wurden. Seit der Antike im Glauben, dass das Herz der Sitz der Seele sei, war man nun, in der Kapelle, auf ewig nah bei Gott, die Körper liegen in Gruften des Mausoleums im nahegelegenen Stadthagen, das ebenfalls Fürst Ernst errichtete. Herzbestattungen gibt es schon lange nicht mehr, auf Wunsch können Mitglieder der Familie nun im neuen Mausoleum im Schlosspark begraben werden. Und die heutige Evangelisch-reformierte Kirche zu Bückeburg hat sich längst arrangiert mit ihrer prachtvollen Kirche, und jeden Sonntag finden hier Gottesdienste statt - unter dem Protektorat von Fürst Alexander zu Schaumburg-Lippe.

Angelika Hornig

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