Gesprächsbereit
Rechtzeitig zur Bundestagswahl hat der Journalist und Theologe Wolfgang Thielmann mit diesem Buch einen wertvollen Beitrag für die politische Debattenkultur nicht nur im kirchlichen Raum vorgelegt. Die Grundfrage, die sich durch alle Beiträge zieht, lautet: „Ist die AfD eine Alternative für Christen?“ Thielmanns Haltung ist klar: „Kirchen müssen das Gespräch mit der AfD führen und mit deren Anhängern in den eigenen Reihen. Ihr Auftrag verpflichtet sie, ihre Stimme für Menschen in Not zu erheben und für eine Gesellschaft einzutreten, die niemanden ausgrenzt. Darin liegt ein Grund, auch mit denen zu reden, die im Ausschluss und in der Abgrenzung die Zukunft sehen.“
Dieser Prämisse folgend bemüht sich das Buch auch um die Perspektive derjenigen, die die AfD als Alternative sehen. In einem längeren Beitrag beschreibt der engagierte Protestant Hartmut Beucker seine Motivation, für die AfD bei der NRW-Landtagswahl zu kandidieren. Seiner Argumentation muss man nicht folgen, aber es stimmt nachdenklich zu lesen, wie seine Gemeinde auf sein politisches Engagement reagierte. Beucker wurde der Rücktritt von seinem Amt als Presbyter nahegelegt, und als er das ablehnte, trat das gesamte Gremium zurück (siehe auch zz 05/2017). Im Anschluss daran beschreibt die zuständige Superintendentin Ilka Federschmidt in einem Interview, warum sie den Rücktritt befürwortet hat.
Lesenswert ist auch der Beitrag von Sven Petry, Pfarrer in Sachsen und Ex- Mann von Frauke Petry. Er ist selber kein Mitglied der Alternative für Deutschland, beschreibt aber sehr klug die Erfahrungen gerade von Kirchenmitgliedern, die diese empfänglich für die AfD gemacht haben. Und auch er spricht sich für den Dialog mit ihnen aus und macht Mut zum „Vertrauen auf die eigene Botschaft, auf die Kraft des Wortes und den Sinn des Dialoges“.
Dieser Gedanke durchzieht das ganze Buch, das auch deshalb lesenswert ist, weil es eben die speziellen kirchlichen Fragestellungen berücksichtigt und auch hier differenziert argumentiert und beschreibt. So schreibt Peter Jörgensen, Beauftragter der Vereinigung Evangelischer Freikirchen am Sitz der Bundesregierung, gegen das verbreitete Urteil an, dass Mitglieder von Freikirchen für AfD-Positionen empfänglicher sind als andere. Dabei liefert er zugleich einen Überblick über die freikirchliche Szene in Deutschland, die in der Tat zu oft über einen Kamm geschoren wird.
Stephan Kosch