Mission ist unverzichtbar

Zurückhaltung ja, Aufgabe niemals

Noch immer steht das Wort „Mission“ in der kirchlichen Kommunikation unter einem Tabu. Dabei erinnert jeder Taufgottesdienst an den Missionsauftrag, der unlöslich mit der Existenz der Kirche zusammenhängt. Wenn Wirtschaftsunternehmen ein „Mission Statement“ formulieren, benutzen sie die christliche Sprache unbefangener, als das in der Kirche selbst der Fall ist. Zur Zurückhaltung gibt es in der Geschichte der Kirche viele Gründe, zum Missionsverzicht nicht.

Eine Revision überlieferter Vorstellungen von Mission ist theologisch geboten. Die Vorstellung, dass Kirchen aus „christlichen“ Ländern das Evangelium zu den „Heiden“ tragen, ist überholt. Heute ist uns bewusst, dass den Kirchen gemeinsam die Mission in allen Kontinenten aufgetragen ist.

Revisionsbedürftig war im evangelischen Bewusstsein und Handeln insbesondere das Verhältnis zu Menschen jüdischen Glaubens. Ihnen mit einer Missionsabsicht entgegenzutreten, ist mit der Einsicht in Gottes ungekündigten Bund mit dem jüdischen Volk unvereinbar. Die Absage an die Judenmission ist deshalb eine unausweichliche Folgerung aus dem theologischen Lernprozess, der, spät genug, aus den Schrecken der Schoah heraus entstand. Doch Gottes Bundestreue zu achten, schließt einen Dialog über das Verständnis dieser Bundestreue nicht aus. Jüdische und christliche Menschen können – und sollten – sich wechselseitig bezeugen, wie sie Gottes Bundestreue verstehen.

Die religiöse Pluralisierung ist ein Kennzeichen unserer Zeit. Sie wirkt sich zum einen in einer säkularen Option aus, die Christen zu respektieren haben, ohne ihr doch das letzte Wort zu lassen. In der Kirche versucht man allerdings weithin, sich mit der These zu beruhigen, die Mitte Europas sei einer gesellschaftlichen Säkularisierung ausgeliefert, die nüchtern zur Kenntnis zu nehmen sei. Obwohl die Säkularisierungsthese religionssoziologisch fragwürdig ist, wird sie im kirchlichen Bewusstsein gern zur Rechtfertigung eines Missionsverzichts in Anspruch genommen.

Eine andere Seite der Pluralisierung zeigt sich in der zunehmenden Präsenz des Islam in westlichen Gesellschaften. In manchen Äußerungen wird in einer Parallele zum Verzicht auf die Judenmission ein christlicher Missionsverzicht gegenüber Muslimen gefordert. Dafür beruft man sich auf die These von den drei monotheistischen oder abrahamitischen Religionen, auch wenn das Christentum auf muslimischer Seite nicht als monotheistisch betrachtet wird. Ein solcher Missionsverzicht sei eine unentbehrliche Voraussetzung für den interreligiösen Dialog und für den gesellschaftlichen Frieden.

Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen hat dazu kritische Fragen angemeldet (ezw-Texte 248). Wird das Nachdenken über Mission nicht um Jahrzehnte zurückgeworfen, wenn Mission und Dialog in einen Gegensatz gebracht werden? Wird der Taufe von Muslimen damit die Legitimation entzogen? Die Bedingung gesellschaftlichen Friedens ist keineswegs der Verzicht auf eine dialogorientierte Mission; die Bedingung dieses Friedens ist die Achtung der Religionsfreiheit – und zwar auf allen Seiten.

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Wolfgang Huber war Bischof in Berlin und Ratsvorsitzender der EKD. Er ist Herausgeber von zeitzeichen.

Wolfgang Huber

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