Es ist vollbracht! Mit einem Überraschungscoup haben Bundestag und Bundesrat innerhalb weniger Tage mit großer Mehrheit ein Gesetz verabschiedet, das die Ehe künftig auch für gleichgeschlechtliche Paare öffnet. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es ab Oktober möglich sein, dass zwei Männer oder zwei Frauen ganz normal heiraten. Damit entspricht der Gesetzgeber dem Willen einer übergroßen Mehrheit der deutschen Bevölkerung, denn in der Beurteilung dieser Frage hat in den vergangenen zwanzig Jahren ein großer Wandel in der öffentlichen Meinung eingesetzt: Nahezu achtzig Prozent der Menschen in Deutschland befürworten die „Ehe für alle“. Insofern ist es absolut richtig, dass man sich im Bundestag ein Herz gefasst hat - Koalition hin oder her, Wahlkampf hin oder her.
Interessant bleibt unter juristischen Gesichtspunkten, ob für diese neue Definition der Ehe eine höchstrichterliche Prüfung nötig ist, dass das neue Gesetz konform mit dem Grundgesetz ist. Einige Rechtswissenschaftler meinen, dieser Prüfung bedürfe es nicht, da in Artikel 6, Absatz 1 („Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“) die Ehe ja gar nicht exklusiv als Ehe zwischen einem Mann und einer Frau definiert sei. Dagegen steht die schwer widerlegbare Meinung, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes 1948/49 unter Ehe bestimmt nur an eine dauerhafte Verbindung von Mann und Frau dachten. Allerdings ist zu fragen - so ein Gedanke des Frankfurter Rechtsprofessor Uwe Volkmann, inwiefern die Verfassung als „Schrein ewiger Wahrheiten“ zu verstehen sei, „der alle Interpretation auf den ursprünglichen Willen des Verfassungsgebers verpflichtet und Abweichung immer nur dort zulässt, wo dieser dazu gleichsam die Ermächtigung erteilt habe.“ Auf jeden Fall erscheint es angebracht, dass das Bundesverfassungsgericht anlässlich des neuen Gesetzes verbindlich klärt, was unter Ehe nach Artikel sechs des Grundgesetzes zu verstehen ist. Allein schon deshalb, weil sonst zumindest aus verfassungsrechtlicher Sicht der Gout des Unvollendeten und Unvollständigen über dem neuen Gesetz bliebe.
Die katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) bedauerte die Neuregelung. Sie gebe eine „differenzierte Wahrnehmung unterschiedlicher Partnerschaftsformen“ auf, „um die Wertschätzung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften hervorzuheben“. Differenzierung, so die DBK, sei doch keine Diskriminierung.
Der Rat der EKD dagegen begrüßte die Neuregelung in einer Erklärung und hob die zentrale Bedeutung von Vertrauen, Verlässlichkeit und Verantwortung für die Gestaltung menschlicher Beziehungen hervor. Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, so der Rat, schmälere die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau in keiner Weise, sondern unterstreiche sie vielmehr. Bisher gibt es jedoch nur in vier der zwanzig evangelischen Landeskirchen ein Trauformular für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Es wird interessant sein, mit welchen Argumenten die übrigen 16 Kirchen gleichgeschlechtlichen Ehepaaren eine kirchliche Trauung, die ja anders als in der katholischen Kirche kein Sakrament ist, sondern „nur“ ein Gottesdienst anlässlich einer (staatlichen) Eheschließung, künftig verwehren wollen.
Reinhard Mawick