Denkwürdiges Zusammenspiel

Peter von der Osten-Sacken und Jérôme Boateng bekommen den Moses-Mendelssohn Preis
Gemeinsame Ehrung: Peter von der Osten-Sacken (links), der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Jérôme Boateng am 6. September in Berlin. Foto: dpa/ AAPimages/Sight
Gemeinsame Ehrung: Peter von der Osten-Sacken (links), der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Jérôme Boateng am 6. September in Berlin. Foto: dpa/ AAPimages/Sight
Deutschlands Fußballer des Jahres und ein emeritierter Theologieprofessor werden zusammen mit einem Preis ausgezeichnet. Passt das? Und wie …

Als die Einladung in den Festsaal des Roten Rathauses zu Berlin kam, wollte man es nicht glauben: Wie bitte? Peter von der Osten-Sacken und Jérôme Boateng sollen die beiden Preisträger des Moses-Mendelssohn-Preises des Landes Berlin im Jahre 2016 sein? Was hat der eine mit dem anderen zu tun? Der 74-jährige bekannte Berliner Neutestamentler und einer der wichtigsten Theologen des christlich-jüdischen Dialogs mit dem gerade 28-jährigen Weltklassefußballer des FC Bayern München und der deutschen Nationalmannschaft. Ist das ein komischer PR-Gag, damit jemand kommt? So dachte man.

Doch weit gefehlt. Das wurde klar, als der Berliner Propst Christian Stäblein in seiner Laudatio auf den Theologen enthüllte, dass der Geehrte, der mit vollem Namen übrigens Peter Christian Freiherr von der Osten-Sacken und von Rhein heißt, vor fast sechzig Jahren, 1957 und 1958 mit dem tsv Burgdorf Niedersachsenpokalmeister der A-Junioren im Fußball war. Insofern werde an diesem Tag nicht nur „Brückenbauer mit Brückenbauer“, sondern auch „Fußballer mit Fußballer“ geehrt. Allgemeines Erstaunen und Heiterkeit. Stäblein, der sich in seinem ersten Jahr als Propst, als stellvertretender leitender Geistlicher der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz – kurz ekbo, bereits bei einigen Gelegenheiten als Wortkünstler erwiesen hat, nannte diese Gemeinsamkeit so: „Mit, zusammen, im hebräischen Jachad oder Jachdaw – über dieser Stunde und der Ehrung von zwei Preisträgern steht ein großes, herrliches, mit, zusammen.“

Der Geist des „mit“ sei aber zugleich „in tiefer Weise“ im Werk des Theologen zu finden, nämlich, „dass christlicher Glaube nur sagbar, nur formulierbar, nur glaubwürdig und lebendig, nur er selbst bleiben kann (…) mit Bezug auf die jüdische Wurzel, im Wahrnehmen der jüdischen Schwester, des jüdischen Bruders (…) und von Anfang an gar nicht anders hatte sein können“.

Ganz anders in Stil und Inhalt geriet – natürlich – die zweite Laudatio auf Jérôme Boateng, gehalten von Ahmad Mansour. Der 40-jährige israelisch-arabische Psychologe und Islamismus-Experte ist durch seine Arbeit mit Jugendlichen in Berlin bekanntgeworden. Er beschäftigt sich mit Projekten und Initiativen gegen Radikalisierung, Unterdrückung im Namen der Ehre und Antisemitismus in der muslimischen Gemeinschaft. Mansours Rede im Roten Rathaus aber geriet zu einer schwärmerischen Hommage an den Weltklassefußballer, der durch seine große Fußballkunst und seinen Ruhm für viele Jugendliche genau dadurch ein Hoffnungsträger ist und nicht nur, weil er von seinem finanziellen Reichtum viel für Projekte mit diesen Jugendlichen spendet. Mansour lobte den „herausragenden Anteil“ Boatengs am Weltmeistertitel 2014 in Brasilien und hatte die Lacher auf seiner Seite, als er sagte: „Neun Monate später kam dann meine Tochter zur Welt …“. Zum Schluss wurde er ernst, als er sagte: „Moses Mendelssohn glaubte an die Fähigkeit der Menschheit zur Glückseligkeit, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Und er glaubte daran, dass der Ewige durch die Schöpfung selbst seine Lehren an die Menschen weitergibt. Jérôme Boateng ist ein sehr gutes Beispiel dafür und trägt das hinaus in die Welt. Er ist eine Inspiration für mich und Millionen andere.“

Höflich bedankte sich der Fußballstar am Ende für die Ehrung. Er freue sich auch, Professor von der Osten-Sacken kennengelernt zu haben, sagte Boateng, obwohl sie beide ja schon aus „zwei verschiedenen Welten“ kämen. Diese Welten aber passten an diesem Septemberabend im Roten Rathaus nahezu bestmöglichst zusammen.

Reinhard Mawick

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