Sarkastisch

Familienkostellationen
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Dieser autobiografische Roman Walsers gilt mithin als langweilig. Die gekürzte Fassung als szenische Lesung ist es definitiv nicht.

Der Gehülfe“ gilt als Muster eines realistischen Romans, handelt aber von einer Illusion. Zwei Männer spielen gelingendes Leben. Der Eine, seines Zeichens Erfinder kurioser Gegenstände, tritt mit großer Geste als Chef auf. Sein „Gehülfe“ übernimmt die Rolle seines loyalen Angestellten, der sich keinen Moment erlaubt, am Erfolg des Unternehmens zu zweifeln. Dabei registriert er sehr wohl die Anzeichen des Niedergangs. Die familiäre Einbindung, aber auch die faszinierende Landschaft des Zürichsees scheinen alle Nachteile aufzuwiegen. Für ein halbes Jahr taucht der Protagonist in der Scheinwelt eines Bankrotteurs unter, bevor er sich in die Realität absetzt. Der Stil dieses stark autobiografischen Romans imitiert die Beschaulichkeit dieses Abtauchens. Er hat dem Werk gelegentlich den Ruf der Langweiligkeit eingetragen. Die – von Dieter Lohr gekürzte – Fassung als szenische Lesung bügelt diese Gefahr aus. Martin Hofer und Heinz Müller versetzen den Roman durch ihren schweizerischen Zungenschlag perfekt in die Atmosphäre der Spielhandlung.

Vor allem profilieren sie gekonnt den sarkastischen Unterton des Textes, der in der Gemächlichkeit des Erzählverlaufs vielleicht überlesen, nun aber nicht mehr überhört werden kann. Eine gute Idee ist auch, die Lesung von Klavierstücken Robert Schumanns, gespielt von Till Barmeyer, begleiten zu lassen. Das Klavier gehörte einst zu jedem großbürgerlichen Haushalt. Umso ironischer, dass Walser diesem Symbol geistiger Erziehung in seinem Text keinen Platz zugestanden hat. Jetzt ergänzt das Instrument mit seinen illustrierenden Unausgesprochenheiten die Authentizität dieses Hörbuchs.

Robert Walser: Der Gehülfe. 2 CDs, LohrBär Verlag, Regensburg 2015.

Susanne Krahe

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