Einstiegsdroge

Neues vom Cembalo
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Ein Hörerlebnis, das auch bisherige Cembaloverächter zu Liebhabern oder gar zu Süchtigen machen wird.

Einstiegsdrogen sind gefährlich. Man sollte tunlichst einen Bogen um sie machen. Es sei denn, es handelt sich um Musik - dann nur her damit! Die Aufnahme, mit der wir es hier zu tun haben, ist bestens geeignet, eine besondere Sucht zu entfachen und gleichzeitig immer wieder zu stillen, nämlich die nach aufregend-edler Cembalomusik. Doch Gott sei's geklagt, das Instrument Cembalo hat immer noch gegen Vorurteile zu kämpfen, denn vielen lastet der stumpfe, mechanische Klang schlechter Instrumente im Ohr, die meist in der Zeit vor 1970 gebaut wurden. Der schale, flache Ton dieser Tasten-Dinos konnte abschreckende Wirkung entfalten. Er hat jedoch mit dem überaus qualitätvollen Klang der Nachbauten, die im Rahmen der Alte-Musik-Renaissance der vergangenen Jahrzehnte entstanden sind, rein gar nichts mehr gemein. Eine ganze Armada versierter Instrumentenbauer ist herangewachsen, die nach genauem Studium der historischen Vorbilder wahre Prachtstücke fertigt.

So zum Beispiel jenen Nachbau eines italienischen Cembalos von Giovanni Batista Giusti, den der Niederländer Titus Crijnen 2011 baute und auf dem der junge spanische Cembalist Javier Núnez die vorliegende CD einspielte. Sie enthält Cembalopreziosen verschiedener Art, die alle in der Zeit um 1600 im Kreis der Neapolitanischen Schule entstanden sind. Werke, die einen vom ersten Ton an faszinieren, ja geradezu wohlig anfallen.Zum Beispiel gleich die eröffnende Fantasia von Antonio Valente.

Antonio who? Richtig, die meisten Komponistennamen sind völlig unbekannt, sieht man einmal von Girolamo Frescobaldi ab, der ein herrlich entspannt-entrücktes "Capriccio di durezze" beisteuert, das mit dem "Consonanze stravaganzi", einem schwebenden Werk von Giovanni Maria Trabaci, zu den ruhenden Höhepunkten der CD gehört. Doch es fällt schwer, irgendetwas hervorzuheben. Denn jedes Stück eröffnet eine Welt, allerorten Klänge, die beglücken. Einen gelungenen Vergleich zieht Interpret und Arrangeur Javier Núnez, indem er diese Musik so charakterisiert: " ... voller Kontraste, mit Licht und Schatten, wie die hochgerühmten Gemälde Caravaggios oder die Vokalmusik des großen Carlo Gesualdo..."

Dem ist nichts hinzuzufügen, ein Hörerlebnis, dass auch bisherige Cembaloverächter zu Liebhabern oder gar zu Süchtigen machen wird. Sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt!

Javier Núnez: á modo italiano. Cembalo Cantus Records 9615.

Reinhard Mawick

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