Aufbruch im Umbruch

Führungswechsel und neue Ufer - beim Reformierten Bund wird es nicht langweilig
Sternstunde vor weißer Wand: Peter Bukowski, seit 1990 Moderator des Reformierten Bundes, verabschiedete sich mit einem grundlegenden Vortrag. Foto: Georg Rieger
Sternstunde vor weißer Wand: Peter Bukowski, seit 1990 Moderator des Reformierten Bundes, verabschiedete sich mit einem grundlegenden Vortrag. Foto: Georg Rieger
In den vergangenen Jahren war eine Menge los bei Deutschlands Reformierten, und es geht munter weiter: Zwei Wechsel an der Spitze, neue Ideen in Sachen Kommunikation und die Weltversammlung im Jubiläumsjahr 2017 in Leipzig vor der Tür. Eindrücke von der 69. Hauptversammlung des Reformierten Bundes in Villigst in Westfalen.

Die Sonne strahlt, mit sattem Klang singt die Gemeinde und vorne eine große, weiße Wand. "Reformierter geht's nicht!" ist man versucht, beim Eröffnungsgottesdienst der 69. Hauptversammlung des Reformierten Bundes (RB) im großen Saal von Haus Villigst zu denken.

Doch vor der weißen Wand ist es bunt: Drei Tage lang diskutierten, studierten und regierten gut 150 angereiste Mitglieder. Das Treffen im Westfälischen Ende April stand im Zeichen des Epochenwechsels: Ein volles Vierteljahrhundert, seit 1990, stand Peter Bukowski als Moderator, das heißt als Vorsitzender des Moderamen genannten Vorstands, an der Spitze des Bundes. In diesen Tagen Ende April sollte sein Nachfolger gewählt werden.

Zuvor aber hielt der scheidende Moderator den Hauptvortrag. Unter dem Titel "Wer ist Jesus Christus für uns heute?" erteilte Bukowski dem Glauben an die Göttin TINA, an das there-is-no-alternative eine klare Absage und entfaltete sein Christusbekenntnis im Dreischritt von Vergewisserung, Ermutigung und Wegweisung - in Anlehnung an die "innere Struktur" des Bekenntnisses von Belhar (1986). "Mein Christus ist zugleich Herr der Welt", so Bukowski. Ohne die Herausforderungen, vor die "die Schwestern und Brüder" weltweit gestellt seien, sei die Frage nach dem eigenen Bekenntnis nicht zu beantworten. Ebenso wichtig sei das "Heute!" im Bekennen. Es könne nicht darum gehen, eine einmal gefundene Antwort "nur noch einmal laut und deutlich zu wiederholen". Und schließlich, so Bukowski, gebe es Rechtfertigung nicht ohne Heiligung, ohne Gottes "kräftigen Anspruch auf unser Leben". Gott lasse mich nicht, "wie ich bin", sondern bewege mich zur Umkehr.

Differenziert ging Bukowski auch auf die jüngst aufgeworfene Frage nach der Kanonizität des Alten Testamentes ein (siehe auch Seite 8). Präzise markierte er, wo sein grundlegender Unterschied im Glaubens- und Theologieverständnis zur Auffassung des Berliner Systematikers Notger Slenczka liegt - und zwar jenseits aller Kanonfragen. Slenzcka meine, so Bukowski, dass Glaube nicht der "Reflex einer auf den Glauben von außen zukommenden Wirklichkeit" sei, "sondern Ergebnis dessen eigener Produktivität". Laut Slenczka seien "materiale Aussagen über Gott oder Christus uneigentliche Rede: Sie meinen nicht, was sie sagen, sondern sie bringen religiöses Ergriffensein zum Ausdruck". Dagegen verwahrte sich Bukowski entschieden: "Auf eine Formel gebracht: Wir haben ,Grund zum Glauben'. Nur der Grund bietet dem Glauben Halt. Und nur als in Gottes Selbsterschließung gegründet ist der Glaube ,eine Zuversicht des, das man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht (Hebräer 11,1)'". Eine Sternstunde - großer Applaus! Wie soll es ohne ihn werden?

Spielbein und Standbein

Dann kam es zur Neuwahl der Hälfte des Moderamens: Jüngster Kandidat war der Wuppertaler Pfarrer Martin Engels, der zur Zeit im Hauptamt als Beauftragter der Rheinischen Landeskirche in der Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017 tätig ist. Der 34-Jährige hatte in den vergangenen Jahren die vielbeachtete multimediale Ausstellung zur Barmer Theologischen Erklärung in der Kirche in Wuppertal-Gemarke konzipiert, die im vorigen Jahr zum 80-jährigen Jubiläum der Erklärung eröffnet wurde (siehe zeitzeichen 5/2015). Ihn hatte das Moderamen der Hauptversammlung auch als künftigen Moderator ans Herz gelegt. Der Vorschlag wurde gerne angenommen. Mit den meisten Stimmen, 131 an der Zahl, wurde Engels zunächst ins Moderamen und dann mit einem noch besseren Ergebnis schließlich zum Moderator und zum Nachfolger Peter Bukowskis gewählt.

Einen Nachfolger hatte Jörg Schmidt, seit fast zehn Jahren Generalsekretär des Bundes und seit nahezu 30 Jahren beim Reformierten Bund beschäftigt, bereits im Herbst in Gestalt von Achim Detmers, 48, gefunden. Detmers legte der Hauptversammlung im ersten Teil seines Berichtes dar, welch wichtige Änderungen sich seit der Heidelberger Hauptversammlung 2013 ereignet haben. Den Reformierten Bund gibt es jetzt doppelt: einmal als Verein (RB e.V.), als Föderation reformierter Kirchen, Gemeinden, Verbände und sogar Einzelpersonen, der er sich als Dachverband für etwa zwei Millionen reformierte Gemeindeglieder in Deutschland versteht. Daneben aber steht seit 2014 der Reformierte Bund als Körperschaft öffentlichen Rechtes (RB KdöR). In letzterer ist die Geschäftsstelle des Bundes in Hannover zusammengefasst. Somit ist der Bereich der ehrenamtlichen Leitungs- und Bildungsarbeit der Mitglieder finanziell und administrativ klar unterschieden von der hauptamtlichen Verwaltung und Leitung. Ein bisschen verhält es sich mit Verein und Körperschaft wie mit Spielbein und Standbein - das schafft Übersicht und Sicherheit.

In direkte Nachbarschaft der Geschäftsstelle ist seit Beginn des Jahres die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WRK) eingezogen. Der Grund für den Weggang des Hauptquartiers dieses Zusammenschlusses von zurzeit 230 evangelisch-reformierten Kirchen aus aller Welt mit gut 80 Millionen Mitgliedern aus Genf war in erster Linie ein finanzieller: Genf war einfach zu teuer und die hohen Preise auch noch in Schweizer Franken? Nein, danke! Außerdem hatte in Niedersachsen der Antrag der WRK zur Verleihung des Körperschaftsstatus Erfolg. Auch hier also: Übersicht und Sicherheit. Und gemeinsam haben der RB und die WRK ein großes Projekt vor sich: Die Ausrichtung der Weltversammlung der WRK im Sommer 2017 in Leipzig mit dem RB als nationalem Gastgeber.

Über mangelnde Beschäftigung werden sich Detmers und sein kleines Team also auch in Zukunft nicht beklagen müssen, zumal die Geschäftsstelle selbst in den nächsten Jahren ein ambitioniertes Programm verfolgt, wie der neue Geschäftsführer im zweiten Teil seines Berichts zum Abschluss der Tagung mitteilte. Da ist zum Beispiel das Feld der Mitgliederpflege: Detmers will einen eigenen reformierten Glaubens- und Bekenntniskurs einführen, der sechs Wochenendseminare innerhalb von eineinhalb Jahren umfassen soll. Adressaten sind Presbyter, Älteste, Prädikanten, Diakone, Gemeindepädagogen, Theologiestudenten, Religionslehrer und schlicht Interessierte. Letztere gibt es nämlich durchaus in der lebhaften reformierten Community. Davon legten die Diskussionen in den morgendlichen Bibelarbeiten beeindruckend Zeugnis ab: Völlig selbstverständlich beteiligten sich Theologen und Nichttheologen gleichermaßen.

Bereits jetzt denken Detmers und sein Team in der Geschäftsstelle, die sich nach einem Diktum des nunmehrigen Altgeneralsekretärs Jörg Schmidt als "Agentur für reformierte Theologie und Frömmigkeit" versteht, über die bis zum Reformationsjubiläum 2017 festgelegten Themenjahre hinaus. 2018 wolle man "500 Jahre Zürcher Reformation" feiern und 2019 soll zum "Karl-Barth-Jahr" ausgerufen werden. Denn dann ist es hundert Jahre her, dass der reformierte Kirchenvater des 20. Jahrhunderts die erste Auflage seines berühmten Römerbriefkommentars herausgab, der als Gründungsurkunde der Dialektischen Theologie gilt. Keine Frage, bei den Reformierten bleibt es auch künftig bunt!

Weitere Informationen

Vortrag von Peter Bukowski "Wer ist Jesus Christus für uns heute?"

Literatur

Hans-Georg Ulrichs (Hg.): Der Moderator - Ein Dank für Peter Bukowski. foedus-Verlag, Wuppertal 2015, 15 Euro inklusive Versand.

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Reinhard Mawick

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