Gottes Werk und der Genossen Beitrag

Evangelische Banken setzen auf ethische Geldanlage. Aber was genau heißt das?
Sitz der Evangelischen Bank in Kassel. Foto: epd/ Andreas Fischer
Sitz der Evangelischen Bank in Kassel. Foto: epd/ Andreas Fischer
Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die deutschen Kirchen Probleme, Kreditgeber zu finden und gründeten daher eigene Banken. Zwei evangelische Banken sind nach vielen Fusionen übrig geblieben. Agieren sie anders als weltliche Institute? Könnten sie mehr tun für eine nachhaltigere und gerechtere Wirtschaft? Der Journalist Christoph Fleischmann ist diesen Fragen nachgegangen.

Er verrichte Gottes Werk, ließ der Chef der Investmentbank Goldman Sachs, Lloyd Blankfein, im Jahr 2009 wissen. In Zeiten der Finanzkrise löste diese Vorwärtsverteidigung Empörung und Spott aus. Ekkehard Thiesler, Vorstandsvorsitzender der Bank für Kirche und Diakonie, formuliert seine Aufgabe bescheidener: Seine Bank sei eine Selbsthilfeeinrichtung der Kirche: "Wir nehmen das Geld von Kirche und Diakonie, um es dann innerhalb dieses Kreises weiterzugeben." Die KD-Bank, wie sie auch kurz genannt wird, vergibt Kredite ausschließlich im Bereich von Kirche und Diakonie. Und aus diesem Feld kommen auch die meisten Kunden, die dort Geld einlegen. Das können Einzelpersonen sein, zum Großteil sind es aber Körperschaften: Landeskirchen, Kirchenkreise, Gemeinden, Stiftungen und diakonische Einrichtungen verschiedener Größe. Dem entspricht auch die Lage der Bankzentrale: Am Dortmunder Schwanenwall bildet sie mit der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse, der Pensionskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte und dem kirchlichen Tagungshaus Reinoldinum auf der anderen Seite der großen Straße so etwas wie eine Kirchenmeile: Die Kirche und ihr Geld.

Selbsthilfe in Zeiten der Geldknappheit, das war das Ziel der ersten deutschen Kirchenbanken, die in den Zwanzigerjahren gegründet wurden. Da Kirchen Probleme hatten, Darlehen zu bekommen, wurden eigene Genossenschaftsbanken gegründet. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren kamen weitere hinzu. Doch inzwischen sind nach einigen Fusionen nur noch zwei übrig geblieben, neben den Dortmundern gibt es noch die Evangelische Bank in Kassel. Beide sind Genossenschaftsbanken.

Die Geschäftsform der Genossenschaft sei wichtig, ist Thiesler überzeugt, denn Genossenschaftsbanken könnten langfristiger und im Interesse der Kunden agieren, die zu einem großen Teil auch Mitglieder der Genossenschaft seien. "Wir sind nicht renditegetrieben und müssen nicht den Aktienkurs optimieren." Durch die Spezialisierung auf den kirchlichen und diakonischen Bereich könne die KD-Bank ihren Kunden Kredite gewähren, die sie in dieser Form bei Geschäftsbanken nicht bekämen, so Thiesler. Durch die enge Kundenbegleitung seien trotzdem kaum Abschreibungen notwendig. Ist eine evangelische Bank also eine Bank für die kirchliche Nische?

Kreditbedarf zugenommen

Es fällt auf, dass bei der KD-Bank die Kreditvergaben weniger als fünfzig Prozent der Bilanzsumme ausmachen, die Einlagen der Kunden die Kreditvergaben also deutlich übersteigen. Wird in Kirche und Diakonie also mehr gespart als investiert? Der Kreditbedarf sei in der Vergangenheit nicht so hoch gewesen, erläutert Thiesler. Er habe jedoch wieder spürbar zugenommen. Wenn Einlagen das Kreditgeschäft übersteigen, rückt das Eigengeschäft einer Bank und damit die Frage ins Blickfeld, wo und wie sie Geld anlegt. Nur ein geringer Teil des Eigengeschäftes wird bei der KD-Bank in Aktien angelegt, hier wird zweifellos konservativ und sicherheitsorientiert gewirtschaftet. Und das ist nach der Finanzkrise durchaus gefragt. Die Kundenzahl wachse, erklärt Thiesler nicht ohne Stolz.

Und noch etwas ist immer öfter gefragt: Das Versprechen, Geld nach ethisch-nachhaltigen Kriterien anzulegen. Mit diesem Thema seien die Kirchenbanken Vorreiter im Raum der evangelischen Kirche, meint Christian Müller, Marketing-Direktor der KD-Bank. Schon 2007 hätten sie einen Nachhaltigkeitsfilter entwickelt, der auf die gesamten Anlagen angewandt würde. Dieser Kriterienkatalog sei in die Diskussionen über einen ekd-weiten "Leitfaden für ethische nachhaltige Geldanlage" eingeflossen, der 2011 verabschiedet worden ist. In diesem Leitfaden werden Negativkriterien aufgeführt, also Branchen definiert, in die nicht investiert werden soll wie Rüstung, Tabak, Alkohol und Unternehmen, die die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ilo) verletzen. Es werden auch Positivkriterien für bevorzugte Investments genannt. Eine wichtige Rolle spielt dabei der sogenannte best-in-class-Ansatz: Mit Hilfe von Ratingagenturen, die auf Nachhaltigkeitsfragen spezialisiert sind, werden die Unternehmen einer Branche identifiziert, die zu den sozial und ökologisch nachhaltigsten zählen. Christian Müller glaubt, dass diese Ratings bei den Unternehmen durchaus Bemühungen auslösen, nachhaltig zu wirtschaften. "Denen ist schon wichtig, ob sie in Nachhaltigkeitsindizes gelistet sind oder nicht."

Antje Schneeweiß, Expertin für nachhaltiges Investment beim Südwind-Institut, die 37 Unternehmen zu diesem Thema befragt hat, ist da skeptischer: "Zu meiner großen Überraschung sagten die meisten Unternehmen, dass sie keine Veränderungen wegen der Nachhaltigkeitsratings vorgenommen hätten", sagte sie bei der Vorstellung ihrer Studie vor gut einem Jahr. Außerdem bleibt bei der Vielzahl von Kriterien, die die Ratingagenturen in Anschlag bringen, für den Außenstehenden letztlich unklar, warum ein Unternehmen als sozial oder ökologisch nachhaltig gewertet wird: Für den Aktienfonds kcd-Union, einem Publikumsfonds von Union Investment, der für den Vertrieb über Kirchenbanken entwickelt wurde, wurden wie im evangelischen Leitfaden Ausschlusskriterien und ein best-in-class-Ansatz kombiniert. Trotzdem finden sich dort die Ölfirmen Statoil, Occidental Petroleum und Schlumberger. Letztere hat den Firmensitz auf der Karibikinsel Curaçao, wo es sich über günstige Steuersätze freuen kann; außerdem die Firma Nestlé, quasi ein Intimfeind diverser Menschenrechts- und Umweltgruppen, und viele Banken: darunter J.P Morgan, die einen Rekordvergleich von 13 Milliarden Dollar wegen zweifelhafter Hypotheken-Geschäfte akzeptierte, die britische hsbc, die Strafzahlung wegen Wäsche mexikanischer Drogengelder leisten musste, die bnp Paribas, die Strafe zahlte wegen des Bruchs des Sudan-Embargos - und andere Banken.

Erhebliche Finanzmacht

Antje Schneeweiß findet es problematisch, wenn große Banken in einem nachhaltigen Portfolio enthalten seien. Denn sie seien sehr intransparent. Die Probleme fielen erst auf, wenn ein Skandal hochkoche. Außerdem sei es das Geschäft von Banken, Geld zu investieren, was dazu führen könne, dass die Banken, von denen man Aktien halte, in Geschäftsfelder investierten, die man eigentlich ausgeschlossen habe. Letztlich gehe es beim ethischen Investment immer nur darum, die relativ schlechteren Firmen auszusortieren. "Große institutionelle Anleger können nur zu einem Teil in der dunkelgrünen, ökologischen Nische investieren", so Schneeweiß. Um der Sicherheit willen bräuchten die Kassenverwalter ein entsprechend großes Anlageuniversum. "Man kann berechtigterweise von ihnen erwarten, dass sie die vorhandenen Spielräume nutzen, aber nicht, dass sie ihrer Aufgabe als Treuhänder eines Vermögens vernachlässigen."

"Es kommt drauf an, was Anleger wollen", erklärt Ekkehard Thiesler von der KD-Bank dazu. Die KD-Bank biete auch strengere Fondskonzepte an, wie zum Beispiel den FairWorldFonds, dessen Kriterien von Brot für die Welt und dem Südwind-Institut entwickelt wurden. Aber Thiesler setzt hinzu: "Wir sind da aber nicht missionarisch unterwegs." Ethik als eine Frage nach der Kundenpräferenz: Für jeden das seinen Vorstellungen entsprechende Angebot. Das nährt den Verdacht, dass es beim ethischen Investment mehr um das gute Gewissen der Anleger geht als um eine wirtschaftliche Alternative.

Aber es gibt noch das aktive Aktionärstum, im englischen Fachjargon "engagement" genannt; das ist der Versuch, über Beiträge auf Hauptversammlungen und Dialoge mit Unternehmen deren Geschäftspolitik - beispielsweise zu Arbeitsrechten in Zulieferbetrieben - zu beeinflussen. Hier arbeitet man bei der KD-Bank mit der Union Investment zusammen und habe auch viele kirchliche Kunden für diese Zusammenarbeit gewinnen können, so Thiesler: Durch die Zusammenarbeit mit Union Investment werde der finanzielle Hebel deutlich vergrößert. Die Union Investment verwaltet insgesamt, also weit über den kirchlichen Bereich hinaus, ein Vermögen von rund 250 Milliarden Euro. 124 Milliarden Euro stehen für den Engagementprozess zur Verfügung, so die Auskunft bei Union Investment. Das ist sicherlich eine erhebliche Finanzmacht; wer sie vertritt, wird bei Unternehmen, die auf Kapital angewiesen sind, eher gehört als kleinere Anleger. Allerdings macht Union Investment in seinen Engagement-Richtlinien auch klar, dass die ethischen Fragen immer in die ökonomische Perspektive eingebunden bleiben: "Union Investment erwartet eine verantwortungsvolle Unternehmensführung, die nicht nur rein ökonomische Zielgrößen beachtet, sondern auch soziale, ethische und umweltrelevante Aspekte berücksichtigt. Diese Zielgrößen werden insbesondere dann von Union Investment befürwortet, wenn sie die langfristig ausgerichteten Aktionärsinteressen und damit den langfristigen Unternehmenswert fördern." Heißt das, Ethik ist nur dann gut, wenn es dem Geschäftserfolg nutzt?

Protest bei der Hauptversammlung

Bei der Evangelischen Bank, neben der KD-Bank der zweiten evangelischen Kirchenbank in Deutschland, ist man gegenüber einem Outsourcing des aktiven Aktionärstums zurückhaltend. Das solle man lieber in eigener kirchlicher Regie machen, findet Wolfgang Steuber, der bei der Evangelischen Bank das Thema "Nachhaltiges Investment" vertritt. Er verweist auf den Arbeitskreis "Kirchliche Investments" der EKD, in dem neben Landeskirchen auch große institutionelle Investoren wie Zusatzversorgungskassen und Pensionskassen vertreten sind. Bisher entscheiden die dort vertretenen Institutionen selber, wie sie den Leitfaden für nachhaltiges Investment umsetzen. Aber Steuber sieht hier ein Forum, das in Zukunft als Vertreter kirchlicher Anleger Unternehmensdialoge führen könne, um eine nachhaltigere Unternehmensführung durchzusetzen.

So etwas gibt es schon in der anglikanischen Kirche von England: Die Ethical Investment Advisory Group (EIAG) berät nicht nur die institutionellen Anleger innerhalb der Kirche, sondern führt auch Unternehmensdialoge in deren Auftrag und veröffentlicht darüber regelmäßig Berichte. Das heißt, die Unternehmen müssen damit rechnen, dass das Wohl- oder Missfallen der Kirche über bestimmte Unternehmenspraktiken auch öffentlich wird. Es kommt auch vor, dass die Kirche Unternehmensanteile auf Rat der EIAG verkauft. Außerdem hat die Staatskirche sich mit anderen Kirchen zur Church Investors Group zusammengeschlossen, die nach eigenen Angaben ein Anlagevermögen von über 15 Milliarden Pfund (circa 20 Milliarden Euro) halten. In Deutschland mag bisher keiner der Kirchenleute eine Zahl nennen, wenn es um das Anlagevolumen der Kirchen geht. Ist man in Großbritannien in Sachen Transparenz etwas weiter? Wolfgang Steuber von der Evangelischen Bank verweist auf die Kriterien für nachhaltige Geldanlagen, die die Bank auf ihrer Homepage präsentiert. Eine Veröffentlichung der eigenen Anlagen, welche Anleihen- und Aktientitel die Bank hält, sei noch nicht vorgesehen, aber in der Ausarbeitungsphase. Einen Unternehmensdialog sollte man seiner Meinung nach eher im Stillen führen: "Wir haben kein Interesse daran, uns publikumswirksam auf einer Hauptversammlung auszustellen."

Genau das aber tat Jo Seoka, der anglikanische Bischof von Pretoria, bei der letzten BASF-Hauptversammlung Ende April in Mannheim. Dort sprach er öffentlich über die Ermordung von 34 streikenden Bergleuten einer Platinmine durch die südafrikanische Polizei. Die Mine gehört dem Bergbauunternehmen Lonmin, und BASF ist einer seiner wichtigsten Platin-Kunden. Seoka wies auf die Verantwortung der BASF für seine Lieferkette hin und mahnte öffentlich eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter an. Ihm ist wichtig, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen: "Die Leute müssen wissen, was innerhalb der Mauern der Unternehmen passiert und fragen, ob die Richtlinien wirklich eingehalten werden." Die Möglichkeit auf der Hauptversammlung zu sprechen, hatten dem Bischof nicht kirchliche Partner eingeräumt, sondern der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Antje Schneeweiß berichtet in ihrer Studie von dem Norwegischen Pensionsfonds, dem es zusammen mit Protesten von NGOs gelang, die Bayer AG zur Verhinderung von Kinderarbeit in einem Tochterunternehmen in Indien zu bewegen: Wenn Investoren im Verein mit engagierten Gruppen Missstände in Unternehmen ansprächen und öffentlich auf deren Beseitigung drängten, sei ein Erfolg wahrscheinlicher als bei stillen Dialogen, meint Schneeweiß. Der Philosoph und Ökonom Paschen von Flotow sagte bei der Vorstellung ihrer Studie, dass es nicht reiche, das kirchliche Kapital als Sicherung der Altersversorgung der Mitarbeiter und anderer Aufgaben zu definieren. Die Kirchenvertreter forderte er auf: "Sie sollten das Kapital kirchlicher Institutionen als Mittel verstehen, das Heil in der Welt zu mehren." Da wären wir wieder bei Gottes Werk, aber anders als Lloyd Blankfein das meinte.

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Christoph Fleischmann

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