Wer viel hat, gibt viel

Gemeinschaft braucht klare Strukturen - auch in Sachen Geld
Foto: privat
Damit die Kirche für den Einzelnen und für die Gesellschaft segensreich wirken kann, braucht sie eine solide Finanzierung. Besser und gerechter als mit der Kirchensteuer geht es nicht, findet Thomas Begrich.

Die Argumentation ist leidenschaftlich: Nein, wir brauchen keine Kirchensteuer. Wir brauchen auch keine Kirchen, keine Gemeindehäuser, keine Pfarrerinnen und Pfarrer, keine Kindergärten ... Als Christ kann ich doch auch ohne das alles leben? Doch ganz so einfach ist es nicht! Man kann nicht als Christ allein vor sich hin leben, man braucht die Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft aber gibt sich Strukturen, sie schafft Bedingungen und Regeln, in denen sie lebt und wirkt. Unsere Strukturen sind tausend Jahre alt. In allen Dörfern und Städten künden Kirchtürme davon: Hier ist Gemeinde, hier leben Christen ihren Glauben. Wir haben also Gebäude, Kirchen, Gemeindehäuser, Kindergärten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir wollen das alles. Wir brauchen es. Die christliche Gemeinde ist vielfältig organisiert.

Und darum die Kirchensteuer? Ja. Darum die Kirchensteuer. Sie ist Teil unserer Struktur und Teil unserer Kultur. Warum eigentlich steht sie immer wieder in der Kritik? Vielleicht macht es das Wort "Steuer" - das klingt harsch, ungeliebt und nach staatlichem Zwang. Was ist da dran?

Weit verbreitet sind drei große Irrtümer. Irrtum eins: "Die Kirchensteuer ist Zwang." Richtig ist: Jede Kirchenmitgliedschaft ist freiwillig und damit auch die Kirchensteuer. Mitglied der Kirche bin ich zunächst durch die Taufe. Wenn ich als Kind getauft bin, kommt dennoch irgendwann der Zeitpunkt - und das wohl immer wieder neu -, an dem ich mir die Frage stelle: Will ich Mitglied dieser Kirche sein? Und wenn ich das will, trage ich sie auch mit, durch mein Tun und durch mein Geld. Ganz freiwillig. Ich trage auch mit, dass meine Kirche - so wie jeder Verein auch - Regeln hat, wie ich zu den finanziellen Lasten beitrage. Ich füge mich ein. Aus Überzeugung, um der Liebe willen oder auch nur aus Gewohnheit. Vielleicht auch aus Bequemlichkeit. Aber ich tue es freiwillig.

Schweden zog nach

Irrtum zwei: "Die Kirchensteuer verletzt das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat." Richtig ist: Die Kirchensteuer besiegelt die Trennung von Kirche und Staat. Sie wurde etwa in Preußen 1905 eingeführt, um den Staat von den Lasten für eine staatsnahe Kirche zu entlasten. Das gerade schuf die finanzielle Voraussetzung für die Trennung von Staat und Kirche, die dann in der Weimarer Republik vollzogen wurde. Folgerichtig verankerte die Weimarer Reichsverfassung (und heute das Grundgesetz) das Steuererhebungsrecht der Kirchen, um diese Trennung dauerhaft zu gewährleisten. Das haben auch andere Staaten erkannt. So haben Schweden und Finnland erst in diesem Jahrhundert die Staatskirche abgeschafft und die Kirchensteuer eingeführt: als Siegel der Trennung von Staat und Kirche.

Irrtum drei: "Die Kirchensteuer ist nicht evangeliumsgemäß." Richtig ist: Auch Jesus zahlte Tempelsteuer. Er sandte seine Jünger ohne Geld in die Städte und Dörfer, darauf vertrauend, dass sie versorgt werden. Er vertraute auch darauf, dass die Frauen als Jüngerinnen ihnen mit ihrer Habe dienten. Aber er zahlte auch die Tempelsteuer. Er verteidigte die rechte Art, den Zehnten zu geben. Paulus sammelte eine Kollekte für die notleidende Gemeinde in Jerusalem. Viele Formen einer frühen Finanzierung. Aus der Zeit des Wanderpredigens und der frühen Kirche aber lässt sich schwer ableiten, wie die Kirche sich heute evangeliumsgemäß finanzieren kann. Gewiss gibt es viele Möglichkeiten, kirchliche Arbeit zu finanzieren. Unsere Synoden haben sich für die Kirchensteuer entschieden. Nicht evangeliumsgemäß? Bei den Reformatoren kann man lernen: "Von Kirchenordnungen, die von Menschen gemacht sind, lehrt man diejenigen einzuhalten, die ohne Sünde eingehalten werden können und die dem Frieden dienen und der guten Ordnung der Kirche..." (Augsburger Bekenntnis, Artikel 15). Das kann man wohl getrost auch von der Ordnung der Kirchensteuer voraussetzen.

Was aber ist nun gut an der Kirchensteuer? Gut ist: Die Gerechtigkeit. Die Kirchensteuer knüpft an das staatliche Steuersystem an. Dies bemüht sich um eine gerechte Bemessung aller Steuerzahlenden. Wer viel hat, gibt viel. Wer wenig hat, gibt wenig. Wer nichts beitragen kann, gibt nichts. Aber alle haben im gleichen Maß Teil an dem, was die Gesellschaft - hier also die Kirche - für alle leistet. Jeder bringt sich nach dem Maß seiner Möglichkeiten ein, jedem ist Teilhabe ermöglicht. So geht Gerechtigkeit.

Solidarisch und unabhängig

Gut ist: Die Planbarkeit. Die Erhebung des Finanzbeitrages der Mitglieder als Steuer schafft eine regelmäßige und planbare Grundlage. Die kirchliche Arbeit kann so verlässlich geplant und gestaltet werden. Die Abhängigkeit von staatlichen Regelungen und wirtschaftlicher Blüte schafft zwar gewisse Unwägbarkeiten - die aber sind weniger bedeutsam als jedes andere Finanzbeitragssystem, bei dem diese Unwägbarkeiten noch obendrein kommen.

Gut ist: Die Unabhängigkeit. Eine feste Regel als Steuer macht unabhängig vom Willen einzelner Zahler. Die kirchliche Arbeit ist so nicht vom Willen und Wollen finanzkräftiger Gemeindeglieder abhängig. Und auch nicht von der Akzeptanz - oder Nichtakzeptanz verschiedener Meinungs- und Glaubensverständnisse, wie sie gerade der evangelischen Kirche eigen sind. Nicht Einzelne steuern so mit ihrem Geld direkt oder indirekt die Kirche. Die Kirche wird von der ganzen Gemeinde verantwortet - ohne Rücksicht und ohne heimlichen Blick auf den Geldbeutel.

Gut ist: Die Solidarität. Die Kirchensteuer schafft den Ausgleich zwischen den Gemeinden. Weil sie nicht abhängig ist vom Einzelnen, vermag sie den Ausgleich zu schaffen, zwischen armen und reichen Gemeinden, zwischen armen und weniger armen Landeskirchen. Eine rein spendenbasierte Gemeindefinanzierung würde vermutlich eine breite Spur kahler Landschaften hinter sich lassen. Unser Anspruch als Volkskirche ist aber: Das Evangelium möge überall lebendig gepredigt werden können.

Was kann die Kirchensteuer nicht? Lebendige Gemeinden schaffen, das kann sie nicht. Das kann kein Geld der Welt, das können keine Finanzierungsarten. Geld benötigt man wohl. Aber Gemeinde ist immer mehr als Geld. Ohne Engagement, ohne Bewusstsein, ohne Bereitschaft geht es alles nicht. Eine lebendige Gemeinde braucht lebendige Menschen. Nicht einfach nur Geld. Sie braucht uns. Und sie braucht Seine Gnade. Gott sei Dank.

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Thomas Begrich

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