Zwischen Kamel und Nadelöhr

Geld ist in der Bibel ein schillerndes Thema
Münzen aus biblischer Zeit: Silberner Schekel, erstes Jahrhundert n. Chr. Foto: epd/ Thomas Rohnke
Münzen aus biblischer Zeit: Silberner Schekel, erstes Jahrhundert n. Chr. Foto: epd/ Thomas Rohnke
Die Äußerungen zum Thema Geld in der Bibel sind weitläufig. Aber auch wenn weder das Alte noch das Neue Testament in sich eine einheitliche Einschätzung bezüglich des Geldes aufweisen, ist der Grundkonflikt zwischen Gott und Mammon in der Bibel allgegenwärtig, meint Ralf Meister, Landesbischof in Hannover.

Das Thema Geld ist in der biblischen Tradition nicht allein am Umgang mit den Schekeln oder Denaren der Antike festzumachen, sondern es bezieht sich auf ein komplexes System von Schuldverschreibungen mit Zins und Zinseszins, mit Wucher und Entrechtungen, wie es im alten Orient schon vor über vier Jahrtausenden bestand. Es war ein Geschäftsverkehr, der über virtuelles Geld erfolgte, also durch Schuldverantwortungen. Händler, Grundbesitzer und Kaufleute trafen untereinander Kreditvereinbarungen, die meist auf Tontafeln festgehalten wurden und dem Gläubiger als Sicherheit dienten. Die Erzählungen der Bibel skizzieren beide Formen der Geldwirtschaft: die, die sich an den konkreten Zahlungsmitteln orientiert, also erst nach der Einführung der Münzwirtschaft um ca. 500 v. Chr. entstehen konnte, und jene, die über Kredite gesellschaftliche Spaltungen produzierte und schon in den Jahrhunderten des frühen Königtums praktiziert wurde.

Im Alten Testament begegnet uns Silber als gängiges Währungsmittel: Joseph wird von seinen Brüdern für zwanzig Silberschekel verkauft (1. Mose 37,28). Ein Chronist weiß über den legendären Reichtum von König Salomo zu berichten, dass dieser 1.400 Streitwagen besaß und 12.000 Pferde, wobei ein Streitwagen 600 und ein Pferd 150 Silberschekel kostete (1. Könige 10, 26-29). Schekel war eine Maßeinheit und im Alten Israel spielte der Tempel für die Werthaltigkeit dieser Währung eine bedeutende Rolle. So gab es im Heiligtum ein Mustergewicht, das als Maßstab fungierte (3. Mose 5,15).

Die "Eigentums-Zins-Geldwirtschaft" (Ulrich Duchrow) im Alten Israel steuerte die Verarmung und Abhängigkeit der Landbevölkerung. Überteuerte Kredite für Saatgut führten beispielweise zur Pfändung des Landes, teilweise sogar zur Versklavung des Kleinbauern und seiner Familie. Die Konzentration von Landbesitz in die Hände weniger Großgrundbesitzer hatte zur Folge, dass wenige neureiche Großgrundbesitzer zusammen mit den Militärs und den Hofbeamten eine kleine vermögende Oberschicht bildeten, die massiven Einfluss auf die Gesetzgebung nahm, während der Großteil der israelitischen Bevölkerung gegen Ende der Königszeit in Israel im siebten Jahrhundert vor Christus in großer Armut verharrte. Es wäre interessant, die massiven Akkumulationen von privatem Reichtum in modernen Oligarchien wie beispielsweise in Russland und der Ukraine anzuschauen, die aus ähnlichen Schuld-Verhältnissen im Gegenüber zum Staat entstanden sind und heute zu den massivsten gesellschaftlichen Spaltungen führen.

Geldvermehrung ist positiv

Diese von der neuen Eigentumswirtschaft verursachte Fehlentwicklung in Gesellschaft und Staat rief den Protest der Propheten Amos und Hosea im letzten Drittel des achten Jahrhunderts hervor. Ihnen folgten in diesem Anliegen im siebten vorchristlichen Jahrhundert Jesaja, Micha, Zephanja, Habakuk, Jeremia und Ezechiel. Sie alle klagen Recht und Gerechtigkeit ein, die durch diese Geldwirtschaft verloren ging.

Es dürfen Hintergründe wie diese sein, die dazu geführt haben, dass es gegenüber den Armen des eigenen Volkes zu einem gänzlichen Zinsverbot gekommen ist (3. Mose 25,35-38). Jahwe als der Gott der Gerechtigkeit ist in besonderem Maße den Armen verbunden. In diesem Sinne dient auch das Sabbatjahr mit seinem Schuldenerlass dem Schutz der Armen (5. Mose 15,2-11). In 2. Mose 22, 24 heißt es: "Wenn du Geld verleihst an einen aus meinem Volk, an einen Armen neben dir, so sollst du an ihm nicht wie ein Wucherer handeln; du sollst keinerlei Zinsen von ihm nehmen." Allerdings kennt schon das Alte Testament eine Unterscheidung, eine Art "Hintertür für den Zins", die später auch den Kirchenvätern in ihrer Auslegung über den verbotenen Wucher Schwierigkeiten machte. In 5. Mose 23,20 f. heißt es: "Du sollst von deinem Bruder nicht Zinsen nehmen, weder für Geld noch für Speise noch für alles, wofür man Zinsen nehmen kann. Von dem Ausländer darfst du Zinsen nehmen, aber nicht von deinem Bruder ..."

Auch im Neuen Testament ist die Stellung zum Geld nicht eindeutig. Es gibt zahlreiche Logien und Gleichnisse Jesu, die ganz selbstverständlich Geldwirtschaft voraussetzen und sie auch nicht kritisieren. So hebt Jesus positiv die arme Witwe hervor, die von dem Wenigen, das sie hat, zwei Scherflein als Geldopfer bringt (Lukas 21,1-4). Während die Reichen, so Jesus, "von ihrem Überfluss" geben, habe sie, "aus ihrem Mangel heraus den ganzen Lebensunterhalt, den sie hatte, eingelegt". Auch benutzt Jesus in seinen Gleichnissen unbefangen Bildmaterial aus der Geldwirtschaft. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg zeigt, dass die Arbeiter wenigstens einen Denar brauchen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten (Matthäus 20,1-16). Deshalb bekommen alle diesen vereinbarten "Mindestlohn", egal, wieviel sie an dem Tag gearbeitet haben.

Gott und Mammon

Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten (Matthäus 25,14-30) spielt ganz ungebrochen mit dem Bild der Geldvermehrung: Während die beiden Knechte, die die ihnen anvertrauten Talente verdoppelt haben, gelobt werden, wird der Knecht, der die ihm anvertrauten Talente vergräbt, hart getadelt. Wenn er schon nicht mit Geld umgehen kann, so hätte er wenigstens das Geld den Wechslern geben sollen, damit es Zinsen bringt. Wohlgemerkt: Die Wechsler sind jene Leute, deren Tische Jesus vorher im Tempel umgestoßen hatte (Matthäus 21,12).

Ebenso zeigt das Gleichnis vom ungerechten Verwalter einen spannenden Blick auf Geldvermögen und Schulden (Lukas 16,1-13): Ein reicher Mann wirft seinem Verwalter vor, dass dieser sein Habe verschwende und verlangt von ihm Rechenschaft. Der Verwalter - wissend, dass diese Betriebsprüfung für ihn schlecht ausgehen wird - erlässt einer Reihe der Schuldner seines Herren einen Teil ihrer Schulden, um nach seinem Rauswurf Menschen zu haben, die ihn unterstützen. Nachdem er offenbar zuvor haushalterisch schlecht mit dem ihm anvertrauten Gut seines Herrn umgegangen ist, betrügt er ihn hintendrein auch noch. Das Überraschende an diesem Gleichnis: Der Verwalter wird dafür gelobt, dass er klug gehandelt hat, und wird zum Vorbild für die Hörer des Gleichnisses.

Dieses Gleichnis, das die betrügerische Klugheit des Verwalters zum Vorbild wählt, bietet zugleich den Übergang zu der in den Evangelien stark vertretenen Linie einer kritischen Sicht auf das Geld, denn die Quintessenz wird so zusammengefasst: "Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, man euch aufnehme in die ewigen Zelte. [...] Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen" (Lukas 16,9.13). Hier wird der Mammon grundsätzlich als "ungerecht" qualifiziert, was das Verhalten des Verwalters offenbar legitimieren soll. Indem er sich mit dem ungerechten endlichen Mammon Freunde für die Ewigkeit macht, tauscht er ein geringeres gegen ein höheres Gut ein.

Eine Zuspitzung erhält dieses Wort durch die prinzipielle Entgegensetzung von Gott und Mammon, in der Geschichte von der Tempelreinigung Jesu (Matthäus 21,12-17). Es spricht einiges dafür, dass dieses Geschehen in erster Linie Jesu Kritik an der wirtschaftlichen Macht des Tempels ausdrücken sollte, denn der Tempel hatte damals die "Nebenfunktion einer Großstaatsbank" (Heinz Schröder): Aufbewahrung der Tempelsteuer, Einnahme freiwilliger Spenden, Einfluss auf Wechselkurse, Privatleute deponierten ihre Gelder dort. Der oberste Schatzmeister stand in der Hierarchie der Amtsträger am Tempel gleich neben dem Hohepriester.

Kritik impliziert

Wenn Jesus diesen Tempel nun als Räuberhöhle bezeichnet, steht er in der sozialethischen Kritik der Propheten. Es geht nicht allein um die Frage des persönlichen Umgangs mit Geld, sondern darum, welche korrumpierende Funktion Geld im Sozialleben einnehmen kann. Es ist äußerst wahrscheinlich, dass diese Kritik an dieser gleichermaßen wirtschaftlichen wie religiösen Zentralinstitution wesentlich zu Jesu Verhaftung und Verurteilung beigetragen hat.

Neben dem Tempel und der Tempelsteuer, die jeder über 20 Jahre alte Jude entrichten musste, war das römische Steuersystem für den Alltag im antiken Israel prägend. Es gab direkte und indirekte Steuern. Zu den direkten Steuern gehörte eine Grundertragssteuer, die ein Fünftel des Ertrages Palästinas ausgemacht hat. Dazu kam eine Kopfsteuer. Auch wer nichts besaß, musste für seinen eigenen Körper "Pacht" bezahlen - für den Schutz durch die römische Administration. Gleichermaßen Männer wie Frauen mussten diese Steuer im Alter von 14 bis 60 Jahren abführen. Neben diesen direkten Steuern gab es etliche indirekte Steuern, zum Beispiel Zoll für Brücken und Wege, eine Steuer für Salz sowie eine Handels- und Gewerbesteuer.

Es fällt auf, dass Jesus dieses Steuersystem nicht grundsätzlich in Frage stellt. Als er von den Anhängern des Herodes, die wesentliches Interesse an einem funktionierenden Steuersystem hatten, in eine Falle gelockt werden soll, gibt er seine berühmte Antwort: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist" (Matthäus 22,21 und Markus 12,17). Jesu Antwort differenziert zwischen dem, was Menschen, und dem, was Gott zu geben ist. Gottes Gebot liegt auf einer anderen Ebene als ein Steuergesetz.

Der Hinweis auf das Bild des Kaisers auf den Münzen kann zugleich als eine implizite Kritik am römischen Kaiserkult verstanden werden. Diese Stelle oszilliert so gewissermaßen zwischen einem sozial- und individualethischen Anspruch Jesu. Mit dem "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist" ist die sozialethische Frage gestellt, während "Gebt Gott, was Gottes ist" eine existenzielle Gottesbeziehung einblendet. Das Wort Jesu, dass man nicht zugleich Gott und dem Mammon dienen könne, findet sich im Matthäusevangelium in der Bergpredigt im Nachdenken über die rechte Sorge: "Niemand kann zwei Herren dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird einem anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon" (Matthäus 6,24).

Ganzheitlicher Dienst

Die Zeitgenossen dieses Wortes werden bei den Stichworten "lieben" und "hassen" unwillkürlich an den Dekalog erinnert worden sein, in dem es heißt, dass Gott die heimsucht, die ihn hassen, aber Gnade erweist an denen, die ihn lieben (5. Mose 5, 9f.). Zugleich klingt das so genannte Glaubensbekenntnis Israels an: "Höre, Israel: Der HERR ist unser Gott, der HERR allein! Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft" (5. Mose 6,4 f.).

Das mag der Referenzrahmen sein, in dem dieses Wort gehört wurde. Die radikale Unterscheidung zwischen Gott und Mammon macht deutlich, dass Gott einen ganzheitlichen Dienst erwartet. Es ist die Grundfrage, woher man die letzte Sicherung des Lebens erwartet.

In diesem Sinne ist auch die Erzählung vom so genannten reichen Jüngling zu verstehen (Markus 10,17-31, Matthäus 19,16-30): Ein Mann kommt zu Jesus und fragt, wie er das ewige Leben erhalte. Jesus antwortet ihm zunächst mit dem Hinweis, er möge die Zehn Gebote einhalten. Auf die selbstbewusste Antwort, das habe er von Jugend an getan - erwidert Jesus: "Eins fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib den Erlös den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach! [...] Es ist leichter, dass ein Kamel durch das Öhr der Nadel geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt."

Die Auslegungsgeschichten sowohl des Wortes vom Mammon wie der Geschichte vom reichen Jüngling zeigen, wie schwer sich die Kirche mit diesen Worten Jesu tat. Gegen alle späteren Abmilderungen, die etwa auf eine Verinnerlichung dieser Sätze zielen, gilt es festzuhalten, dass diese radikale Entgegensetzung so gemeint ist, wie sie dort steht. Von der Kirche wird man keine konkreten finanzpolitischen Vorgaben erwarten. Doch einen kritischen und auch selbstkritischen Umgang mit einer komplexen Finanzwirtschaft, in der das Geld einen heiligen Status erhält und zu Ungerechtigkeiten führt, wird die Kirche aufgrund biblischer Einsichten immer wieder fordern.

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Ralf Meister

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