Unausschöpflich

Rantala zelebriert John Lennon
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Rantala zeigt, wie unsterblich John Lennons Songs sind.

Das rote, blaue und weiße Beatles-Album: Grundausstattung für Anfang der Sechzigerjahre Geborene. Als sie jugendlich wurden, stand schon Punk in der Tür, doch die Beatles blieben stets da. Von älteren Geschwistern gab es vielleicht noch das "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band"-Original mit dem Klappcover oder "Revolver" dazu. Das von vielen immer noch als vorläufig erhoffte Ende 1970 (Yoko Ono war natürlich schuld!) machten derweil Soloscheiben der Fab Four manifest, von denen John Lennons "Imagine" der aufziehenden Friedensbewegung Wünsche formulierte. So war das für Nachgeborene von Beatlesmania und LSD-Aufbruch. Die Beatles prägten auch sie. Entsprechend groß war das Entsetzen, als ein Irrer Lennon 1980 erschoss. Der finnische Jazzpianist Iiro Rantala war damals zehn, Lennons Musik begegnete er erstmals im Schulchor, als sie "Happy Xmas, War is Over" sangen. Es verschlug ihm den Atem: "Wie kann dieser Typ etwas so Einfaches und zugleich so Kraftvolles schreiben?"

Begeisternd unausschöpflich spürt Rantala diesem Geheimnis nun auf seiner Lennon-Hommage "My Working Class Hero" mit zwölf Songs nach, die der allein oder mit Paul McCartney oder Yoko Ono schrieb, darunter "Working Class Hero" von Lennons erster Soloplatte. Der klassisch ausgebildete Rantala hat selbst einen "working class"-Hintergrund. Auf seinem vielfach ausgezeichneten Album "Lost Heroes" tat er schon einmal ähnliches, doch John Lennon ist sein größter "Held".

Rantala zeigt, wie unsterblich Lennons Songs sind. Ob er die rhythmischen Strukturen umspielt, verstärkt oder verlagert, Melodien nur leicht anhaucht oder sie perkussiv forciert, auf weite Ausflüge ins scheinbar Unbekannte führt oder oft besuchte Promenaden entlangschlendert, stets ist es überraschend und intim vertraut zugleich, wie er die Songs erforscht, und immer eine Steigerung, die den Kern doch nie überschreitet. Das eröffnende "Norwegian Wood" wird erst nach fast einer Minute mit Akkorden kenntlich, ein Wiedererkennen wie ein Sonnenaufgang, berührend, ohne rührselig zu sein. "Woman" wird gegen Ende richtig groovy, "Help" und "Imagine" sind ein Fest, "Happy Xmas, War is Over" ist ein Knaller mit Leidenschaft und perkussiver Wucht, doch federleichtem Unterzug.

Diese und alle weiteren Songs bis zu "All You Need Is Love" zum Schluss des Albums interpretiert und erforscht Rantala bis zur Kenntlichkeit gesteigert mit Mitteln des Jazz, faszinierendem Anschlag, nie selbstverliebter Virtuosität und leidenschaftlichem Einlassen auf das Songmaterial. Er saß dabei an jenem Flügel, den früher Alfred Brendel spielte, wenn er bei den Berliner Philharmonikern gastierte. Eine wundersame Vermehrung. Fünf Brote und zwei Fische quasi - satt werden Tausende, und es bleibt immer noch übrig. So einfach, so kraftvoll. Das Album gehört fortan zur Grundausstattung.

Iiro Rantala: My working class hero. Hero (ACT/edel:kultur 2015)

Udo Feist

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