Anschaulich

Religiöse Friedensarbeit
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Sieben Jahre nach seiner empirischen Studie "Religion Macht Frieden" legt der Politikwissenschaftler Markus A. Weingardt ein höchst anschauliches und konkretes Handbuch der Friedensarbeit vor.

Vorbei sind die Zeiten, da man noch mit Karl Marx und Friedrich Engels meinen konnte, Religion sei "Opium des Volkes". Da schien das Bonmot von Umberto Eco realistischer zu sein, dass Religion heutzutage vielmehr "Kokain des Volkes" sei, weil sie die Massen aufpeitsche. Doch auch das ist bestenfalls nur die halbe Wahrheit. Denn Religionen haben auch noch eine ganz andere Dimension: sie können zur Wohltat, zum Segen für die Völker werden, indem sie, genauer gesagt: die Menschen, die sich zu ihnen bekennen, Frieden schaffen. Indem religiöse Menschen als Mediatoren tätig werden, in Konflikten vermitteln, deeskalieren und nach neuen, konstruktiven Wegen des Miteinanders suchen.

Sieben Jahre nach seiner empirischen Studie "Religion Macht Frieden" legt der Politikwissenschaftler Markus A. Weingardt ein höchst anschauliches und konkretes Handbuch der Friedensarbeit vor. Darin beschreibt er zehn verschiedene Methoden, konstruktiv mit Konflikten umzugehen: etwa durch gewaltfreie Aktionen, Friedensmärsche, interreligiöse Dialoge, Mediation oder Versöhnungsarbeit. Spannend werden diese Beschreibungen nach Einführung in die jeweilige Methodik dadurch, dass der Autor deren praktische Umsetzung jeweils anhand zweier Beispiele veranschaulicht: stets zuerst ein Beispiel aus Deutschland und dann eines aus dem Ausland.

Glücklicherweise stammen die beschriebenen Ansätze von Akteuren ganz unterschiedlicher Religionen. So erfahren wir bei der Methode "Gewaltfreie Aktion" vom Kirchenasyl hierzulande und vom beispielhaften Verhalten der Muslime in Ruanda, die sich 1994, angesichts des Genozids an den Tutsi, als einzige religiöse Minderheit weigerte, mitzumachen: "Sie setzten den Grausamkeiten ihren gewaltlosen Widerstand entgegen und konnten dadurch viele Menschenleben retten. Verfolgte fanden in ihren Häusern und Moscheen Schutz, ohne Verrat fürchten zu müssen." So erfahren wir bei der Methode "Friedensmarsch" von der bekannten Tradition der Ostermärsche hierzulande und von Maha Ghosananda, einem buddhistischen Mönch, der im Kambodscha der Neunzigerjahre "Pilgerwege der Wahrheit" mit bis zu 100.000 Teilnehmern organisierte: "Die Pilger ziehen bewusst durch Kampfgebiete und Krisenregionen, durch Städte und über das Land. Überall spenden sie den Menschen Segen, egal ob Soldat, Zivilperson, ob Rote-Khmer-Anhänger oder Flüchtling. Strikt lehnen sie zwar die Kämpfe und Repressionen ab, doch verurteilen sie niemals die Personen selbst."

Bei der Methode "Menschenrechte" erfahren die Leser von den Maltesern, die 2001 in Deutschland die "Malteser Migranten Medizin" einrichteten, um meist illegalisierten Migranten eine kostenlose gesundheitliche Versorgung zu ermöglichen. Das internationale Beispiel stammt aus Nahost. Es handelt von den "Rabbinern für Menschenrechte", die sich als "religiöses Gewissen Israels" seit 1998 vor allem für die Rechte der Palästinenser engagieren. Das geschichtenreiche Buch enthält fast auf jeder Seite Fotos, Infoblöcke, Tabellen, Literaturangaben. Es ist daher sicher auch für die schulische Bildungsarbeit mit Jugendlichen zu empfehlen. Eindrucksvoll dokumentiert es, dass religiöse Menschen Frieden stiften und so ein Segen für die Völker sein können. Damit trägt das Buch dazu bei, die öffentliche, stark selektive Berichterstattung der Medien über Religionen zu korrigieren, welche die Gewalttäter mit Aufmerksamkeit, sprich Sendezeit und Schlagzeilen belohnt. Ebenso viel Aufsehen und Anerkennung sollten die Friedensstifter aller Religionen erhalten. Denn sie setzen "Zeichen gegen Ignoranz und Gleichgültigkeit, ein Zeichen für Menschlichkeit und Anteilnahme".

Markus A. Weingardt: Was Frieden schafft. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2014, 232 Seiten, Euro 24,99.

Martin Bauschke

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