Beeindruckend

Gespräche mit der toten Tochter
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Magirius ist ein sehr anrührendes Buch gelungen, das auf poetische Weise von seinen Gefühlen, seinen Traurigkeiten und Erinnerungen an das kurze gemeinsame Leben mit seinem Kind erzählt.

Von dem Theologen und Schriftsteller Georg Magirius ist ein Buch erschienen, in dem er als Vater über den Verlust seiner totgeborenen Tochter schreibt. Magirius ist ein sehr anrührendes Buch gelungen, das auf poetische Weise und nicht in Ratgebermanier von seinen Gefühlen, seinen Traurigkeiten und Erinnerungen an das kurze gemeinsame Leben mit seinem Kind erzählt. Sowohl Trauer als auch Freude werden zugelassen. Dem Theologen Georg Magirius sind die Riten von Trauergottesdiensten vertraut. Und er weiß auch, dass weder wohlmeinende Ratschläge wie wieder nach vorne zu schauen, noch sein ganzes theologisches Wissen vom Weiterleben nach dem Tode nach dem Verlust eines Kindes Hilfe zu sein vermögen.

Bewusst hat er sich deshalb entschieden, mit den tagebuchartigen Aufzeichnungen, in denen er ganz lebendig und selbstverständlich mit seiner toten Tochter spricht, als säße sie auf seinem Schoß, als spränge sie beim Spazierengehen neben ihm her, erst nach zwei Jahren zu beginnen.

Dieses Gespräch, an dem Magirius den Lesenden teilnehmen lässt, ist äußerst bewegend. Und es zeugt von Mut. Denn es ist schon ein gewaltiges Vorhaben, zumal als Vater, so starke Gefühle wie Zorn, Wut, Trauer und Verzweiflung zuzulassen und aufzuschreiben. Und eigentlich fast noch beeindruckender als diese nachzuvollziehenden "negativen" Gefühle sind jene der Freude und der Dankbarkeit, des Staunens über ein so vollkommenes und schönes Kind wie seine Tochter Juliane. Neun Monate der Vorfreude auf das so sehr erwartete Kind werden mit der Geburt zu einem einzigen, nicht umkehrbaren Verlust.

Wer könnte daran nicht zerbrechen und mit Gott hadern. Diesen Prozess eines Menschen miterleben zu dürfen, wie er in einem wiedergefundenen kindlichen Glauben annehmen kann, dass "alles so war, wie es eben war", ist äußerst beeindruckend. Er führt zu Erkenntnissen, die vielleicht anders verborgen geblieben wären. "Das Sterben eines Kindes ist der Eintritt in eine Welt, in der es mit dem Konkurrieren ein Ende hat." Magirius weiß: "Das Eigentliche bleibt verhüllt. Die letzte und tiefe Nähe, die Erfüllung, die Gewissheit, dass alles gut und richtig ist - all das liegt hinter einer Wand" - aber die Wand wird zuweilen durchlässig, und der Vorhang geht auf, wie der Theologe Karl Barth den Zustand nach dem Sterben erklärt hat.

Neben den vielen ganz persönlichen Geschichten, die der Vater Magirius einfach fortspinnt, wie sie sich im Zusammenleben mit Juliane ereignet haben könnten, ist dem Theologen Magirius auch immer die Heilsgeschichte bewusst, und aus ihr schöpft er letzten Endes seine Kraft. Das ist so einmalig lebendig, so unprätentiös und klar erzählt, dass man sich die Augen reibt und fragt: Warum wird einem nicht viel öfter Glaube so vermittelt?

Ein Vater hat zwei Jahre lang mit seinem Kind gesprochen, aber auch mit sich selbst, mit seiner Frau, mit anderen Menschen und nicht zuletzt immer wieder auch mit Gott. Seine Trauer ist aufgehoben in einer nicht endenden Liebe, und sein Glaube belässt ein Paradies nicht im Hypothetischen. Nein. "Ein Kind winkt, nimmt mich an der Hand und zeigt mir seine Lieblingsplätze ... Wir sitzen am Tisch, die Geborgenheit schmeckt wild. Ich bin angekommen, auf ewig Kind und groß und frei und neu geboren und der, der ich schon immer war und werden wollte. Befreit sind wir von allen Sorgen. Denn endlich können wir uns um unsre Tochter kümmern."

Es ist ein sehr tröstliches Buch, das mit seinen existenziellen Fragen nach Gott, Ewigkeit, Himmel, Leben und Tod nicht nur betroffenen Eltern eine wertvolle Hilfe sein kann.

Georg Magirius: Schmetterlingstango. Claudius Verlag, München 2013, 144 Seiten, Euro 14,90.

Ilka Scheidgen

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