Die Kleinen kommen durch

Ein Punktum
Für den gestandenen Protestanten steckt ein großes Stück Trost in den Erkenntnissen der modernen Biologie.

Wir müssen mal wieder reden. Und - es tut mir leid - es geht erneut um die Frage, ob es auf die Größe ankommt, oder nicht. Die Geschlechtsorgane lassen wir aber heute mal beiseite, es geht um mehr, um Größeres, um ganze Körper, ja sogar um ganze Gattungen und Spezies, um die Giganten im Tierreich - die Dinosaurier.

Dass deren Aussterben irgendetwas mit ihrer überbordenden Größe zu tun haben musste, hat man sich ja schon gedacht. Biologen der Universität Oxford haben sich nun angeschickt, Licht ins Dunkel der Urzeit zu bringen und entwickelten ein Modell, mit dem sie anhand von Skeletten das Gewicht der unterschiedlichen Saurierarten bestimmen konnten. Danach brachten es die größten Vertreter, die Amphicoelias, auf bis zu 150 Tonnen Gewicht, fast so viel wie ein Blauwal. Mehrere Arten kamen immerhin auf bis zu 90 Tonnen. Doch es gab auch ganz andere Saurier, kleine süße Dinos wie Qiliania graffini, welcher mit 15 Gramm Lebendgewicht wohl elfengleich durch die Farnwälder huschen konnte.

Der interessante Befund der Forscher lautet nun: Es waren die kleinen Arten, die überlebt haben. Die Maniraptora, die Vorläufer unserer heutigen Vögel, kamen im Großen und Ganzen ganz gut durch die - wie auch immer geartete - Katastrophe, die den anderen Dinos den Garaus bereitete. Weil sie kleiner waren, konnte die Evolution sich schneller und vielfältiger an ihnen ausprobieren und unterschiedliche Körperdesigns entwickeln, von denen das eine oder andere sich als tragfähig erwies.

Das sollte man mal all denen sagen, die immer noch größer sein wollen, als sie sind: Wladimir Putin, Mark Zuckerberg, der Europäischen Union, dem FC Bayern mit seinem Mehrfach-Kader, den Autodesignern, den All-You-Can-Eat-Essern, den Riesenkonzernen, die andere Riesenkonzerne schlucken wollen, und all denen, die an das ewige Wachstum glauben: Die Zukunft liegt im Downsizing.

Für den gestandenen Protestanten, der ein wenig traurig auf die leeren Kirchenbänke um sich herum schaut, steckt also ein großes Stück Trost in den Erkenntnissen der modernen Biologie. Die Austrittszahlen und demographischen Faktoren sind eigentlich ein Fitness-Programm für die Zukunft!

Wir halten also fest: Wer kleiner wird, kommt durch, nicht nur durchs Nadelöhr, sondern durch die Jahrmillionen, wenn auch in veränderter Form. Man könnte auch sagen, dass man sich an eine veränderte Umwelt anpassen muss. Davor muss man keine Angst haben, dass Dinos fliegen lernten, sofern sie überlebten, macht doch Mut. Man darf allerdings kein Kreationist sein, denn ohne die Experimentier- und Gestaltungsfreude der Evolution funktioniert das Ganze nicht. Aber der Blick zurück zeigt: Weiterentwicklung hat noch niemandem geschadet ...

Stephan Kosch

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