Freude und Gelassenheit

Heinrich Bedford-Strohm könnte eine Ära prägen
Die Botschaft von der Rechtfertigung wird von Protestanten gerne im Munde geführt, aber selten in der Tiefe gelebt. Dagegen hat Heinrich Bedford-Strohm nun einen Kontrapunkt gesetzt.

Die ersten Worte des neuen Ratsvorsitzenden zu sich und seinem neuen Amt ließen aufhorchen: "Ich bin mir bewusst, dass nach all den personellen Turbulenzen der bisherigen Synodalperiode die Erwartungen an die Person, die Sie gewählt haben, sehr hoch sind", sagte Heinrich Bedford-Strohm wenige Minuten nach seiner Wahl am 11. November in Dresden und fuhr fort: "Was Paulus vor langer Zeit seiner Gemeinde in Rom geschrieben hat und was die Reformatoren vor 500 Jahren für uns neu entdeckt haben, ist eine wunderbare Wahrheit, um in einer solchen Situation mit den Erwartungen, die damit verbunden sind, umzugehen: dass wir gerechtfertigt sind - allein aus Glauben und nicht aus den Werken. Das gilt für jeden von uns ganz persönlich, auch für mich." Das, so der neue Vorsitzende, sei "die beste Grundlage", die vor ihm liegende Aufgabe "mit Freude und mit Energie und auch mit einer gewissen Gelassenheit auszuüben."

Die Botschaft von der Rechtfertigung wird von Protestanten gerne im Munde geführt, aber selten in der Tiefe gelebt. Dagegen hat Bedford-Strohm mit seiner Trias aus Freude, Energie und Gelassenheit nun einen Kontrapunkt gesetzt! Besonders der Gelassenheit wurde in den vergangenen Jahren in der EKD nicht genügend Raum gegeben. Natürlich bleiben die internen Aufgaben ambitioniert - hier genügen die Stichworte Reformationsjubiläum und Verbindungsmodell, und auch die allgemeine Lage ist herausfordernd - man denke nur an Traditionsabbruch und wachsende Kirchenferne. Genau deshalb aber wäre es gut, wenn der neue Ratsvorsitzende die ihm innewohnende freundliche Dynamik dafür einsetzen würde, um etwas Dampf aus dem Kessel zu lassen, anstatt den Kessel zu befeuern. Denn es ist offenkundig, dass die EKD und ihr Apparat in den vergangenen Jahren daran krankten, dass der Anspruch und der hohe Ton des Impulspapiers "Kirche der Freiheit" von 2006 nur sehr bedingt in eine sinnvolle Operationalisierung verwandelt werden konnte und dass die "Kirche im Aufbruch" in den Jahren nach Wolfgang Huber schlicht nicht in Gang kam. Deshalb braucht die EKD nach innen jetzt keinen Dampfmacher, sondern einen Mut-Macher, der manche Verkrampfung auflöst, die in den Turbulenzen der vergangenen Jahre entstanden ist.

Gelassenheit und Geduld darf sich der neue Vorsitzende sowieso gönnen, denn er kann eine Ära prägen. Wahrscheinlich wird der heute 54-Jährige bayerische Landesbischof nach diesem einen Jahr, für das er jetzt in Dresden nur gewählt werden konnte, dem Rat der EKD auch in den folgenden beiden Wahlperioden vorstehen - möglicherweise bis 2027. Damit würde Bedford-Strohm sogar ein Jahr länger an der EKD-Spitze stehen als der legendäre Otto Dibelius von 1949 bis 1961. Dieser weite Horizont könnte ihm der Versuchung widerstehen helfen, den bunten Kessel der EKD weiter anzuheizen, sondern zunächst in Ruhe hinein zu schauen und wahrzunehmen, was sich in welcher "Gar-Stufe" darin befindet. Dabei ist dem neuen Ratsvorsitzenden jener Mut zu wünschen, den ihm die EKD-Synodalen direkt vor der Wahlhandlung zusangen: Alles ist an Gottes Segen und an seiner Gnad gelegen über alles Geld und Gut. / Wer auf Gott sein Hoffnung setzet, der behält ganz unverletzet einen freien Heldenmut (EG 352,1).

Reinhard Mawick

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