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EKD-Synode: Warum die Kirche die digitale Zeit endlich mitgestalten muss
Dass der digitale Wandel alle Lebensbereiche durchdringt, daran zweifelt niemand mehr. Wie kann die evangelische Kirche in der Informationsflut bestehen? Mit welchen Botschaften kann sie die digitale Kommunikation mitgestalten? In Dresden zeigte sich, wie groß die Herausforderungen sind.

Es ist vor allem den Jugenddelegierten zu verdanken, dass das Thema auf die Tagesordnung der EKD-Synode kommt. Und sie bringen es in ihrer Andacht während der Dresdner Synodaltagung auf den Punkt: Der Apostel Paulus benutzte zu seiner Zeit Briefe, um das Evangelium zu verkündigen, Martin Luther den Buchdruck. Und heute stehen die Kirchen mit der Digitalisierung der Welt wieder vor einer neuen medialen Herausforderung, der sie sich stellen müssen, um das Evangelium zu kommunizieren. Denn dass sie dieses müssen, kann niemand mehr in Abrede stellen. Nur was und wie, darüber gilt es ins Gespräch zu kommen. Auch in den Kirchen sind die Lager gespalten: Die einen empören und verweigern sich, warnen vor den Schattenseiten wie mangelndem Datenschutz und Kommerzialisierung. Andere twittern, pflegen einen Facebook-Account und tragen - fast wie ein Bekenntnis - die neuesten technischen Geräte mit sich.

Einen wichtigen Impuls steuert in Dresden der Münsteraner Theologieprofessor Christian Grethlein bei. Seine Prognose: Die "Sozialformen" Kirchen und Gemeinden werden aufgrund der grenzüberschreitenden Kommunikation an Bedeutung verlieren. "Der Protestantismus mit seinem biblisch begründeten Konzept des Priestertums aller Getauften ist theologisch, aber nicht organisationsmäßig gut gerüstet für diese neue Situation", sagt der Praktische Theologe. Und weiter: "Die religiöse Kommunikation lange bestimmende Form der Autorität, etwa durch die Ordinierten, repräsentiert, wird abgelöst durch die - soziologisch, nicht psychologisch zu bestimmende - Kommunikationsform der Authentizität." Lehrmäßige Kohärenz oder organisatorische Verlässlichkeit sei für die Rezeption nicht mehr entscheidend, sondern die Lebensdienlichkeit.

Dass der Prozess der Mediatisierung weder aufzuhalten noch aufzuschieben sei, darauf verweist die Medienwissenschaftlerin Caja Thimm in ihrem Impulsreferat. Die Digitalisierung verändere das gesamte Lebensumfeld, aber die menschlichen Bedürfnisse änderten sich nicht. Für die Bonner Professorin steht außer Frage, dass die Kirchen Teil des Prozesses sind. Sie stellt die Frage nach dem "wie" er gestaltet werden kann. Und Gesche Joost, Berliner Forscherin und seit März 2014 Internetbeauftragte der Bundesregierung, fragt: "Welche Werte verbinden uns in der digitalen Gesellschaft?" Und vor allem: Wie gelingt es, eine digitale Spaltung der Gesellschaft zu überwinden und Teilhabe zu ermöglichen?

Drei Impulsreferate, die unterschiedliche Perspektiven thematisieren. Sie eint, dass sie vor allem Fragen hervorrufen und sie konsequent stellen. Denn einfache Antworten gibt es im digitalen Wandlungsprozess nicht, die Suche nach Erklärungen und Modellen ist spürbar. Es wird deutlich, dass viele Synodale angesichts der Fragen und Herausforderungen neue Einsichten in die Komplexität und Vielgestaltigkeit des Themas gewinnen. Wenn es für die Kirche vom Evangelium her wichtig ist, die Gesellschaft aktiv zu gestalten, trifft das auch für die digitale zu.

Die von den EKD-Synodalen verabschiedete Kundgebung wendet sich sowohl an die breite Öffentlichkeit als auch an Gemeinden und Landeskirchen. Sie unterstreicht deren Verantwortung und mahnt an, sich stärker im ethischen Diskurs einzubringen, "um Privatheit und Öffentlichkeit in ein Freiheit förderndes Verhältnis zu setzen, das dem christlichen Verständnis der Würde des Menschen entspricht". Auch medienethische Bildung über das Wirken von Text und Bild will sich die Kirche auf die Fahnen schreiben und damit die Medien- und Digitalkompetenz der Menschen verbessern. Dass durch die Digitalisierung auch neue Formen von Gemeinde entstehen könnten, wird begrüßt. Den Staat ruft die Synode auf, seiner Verpflichtung, die Grundrechte seiner Bürgerinnen und Bürger zu sichern, nachzukommen. Als Vorsitzender des Vorbereitungsausschusses zum Schwerpunktthema macht der Emdener Landessuperintendent Detlef Klahr deutlich: Die Kundgebung verstehe sich als ein Auftakt, ein erster Impuls zur weiteren Beschäftigung. Wie dringend das Not tut, zeigen die Reaktionen mancher Synodaler. Sie deuten an, die Komplexität des mit der Digitalisierung einher gehenden tiefgreifenden gesellschaftlichen und kulturellen Wandel in Dresden erstmals erkannt zu haben.

Kathrin Jütte

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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