Folgen eines Rücktritts

Unerwartet muss sich die EKD neu sortieren
Was auch immer die Strategen in Rat und Kirchenamt ersinnen, es ist nicht ohne Risiko, denn das Sprichwort "vor Gericht und auf hoher See" darf man in seiner Aussage getrost auf EKD-Synoden beziehen.

Das Leben ist nicht fair! Viele mögen so oder ähnlich gedacht haben, als die Nachricht kam, dass Nikolaus Schneider sein Amt als EKD-Ratsvorsitzender ein Jahr früher als geplant aufgeben werde - nämlich schon auf der Tagung der EKD-Synode Anfang November in Dresden. Der Grund für diesen vorzeitigen Abschied: Schneiders Ehefrau Anne ist an Brustkrebs erkrankt, und Schneider will fortan ganz und ungeteilt an ihrer Seite sein. Er sagte dazu in einer öffentlichen Erklärung am 30. Juni: "Wie auch immer das ausgeht: wir haben ein schweres Jahr vor uns. Während der nun beginnenden intensiven Therapien will ich für Anne da sein. Und so viel Zeit wie möglich mit ihr und unserer Familie verbringen. Dieser Wunsch ist mit meinen EKD-Ämtern nicht zu vereinbaren."

Das Verständnis für diesen Schritt in der Öffentlichkeit war groß, alle Kommentare waren von Respekt und großer Sympathie für die Schneiders getragen. Jenseits des selbstverständlichen Mitgefühls und Beistands stellt der vorzeitige Rückzug Schneiders die Verantwortlichen der EKD vor nicht ganz einfache Fragen: Zwar müsste die Synode im November formal nur ein neues Mitglied für Schneider nachwählen, der ja mit dem Vorsitz auch seinen Platz im Rat niederlegen wird. Aber sollte man nicht gleich ein größeres Revirement in die Wege leiten? Zwei aktuelle Ratsmitglieder, die emeritierten leitenden Geistlichen Ulrich Fischer und Jann Schmidt bekleiden kein landeskirchliches Leitungsamt mehr. Wenn sie wie Schneider jetzt ausschieden, könnten Synode und Kirchenkonferenz gleich drei Plätze im Rat der EKD neu besetzen.

So böte sich die Gelegenheit, dass weitere leitende Geistliche mit Perspektive auf den Ratsvorsitz bereits in diesem Herbst in den Rat gelangen würden. Das wiederum könnte es der Synode erleichtern, eine/n Vorsitzende/n zu wählen, der/die dann bei der Ratswahl im November 2015, wo auf jeden Fall der gesamte Rat samt Vorsitz neu gewählt wird, mit ziemlicher Sicherheit bestätigt werden könnte.

Was auch immer die Strategen in Rat und Kirchenamt der EKD ersinnen, es ist nicht ohne Risiko, denn das Sprichwort "vor Gericht und auf hoher See" darf man in seiner Aussage getrost auf EKD-Synoden beziehen: Gerade in Sachen Personal reagieren sie oft empfindlich, wenn sie zu viel Kalkül anderer Leitungsorgane oder gar des Kirchenamtes verspüren. Die vergangene Tagung der EKD-Synode in Düsseldorf, als es bei der Präseswahl zu ungeplanten Dynamiken kam, sollte den Strategen in Hannover eine Lehre sein. Besonders dem Synodenpräsidium unter Vorsitz von Irmgard Schwaetzer kommt dabei eine große Verantwortung zu. Denn schließlich widerspräche es wohl dem Geist der Grundordnung der EKD, dass eine scheidende Synode, wie die Dresdner 2014, eine kommende, wie die im Herbst 2015, in so wichtigen Fragen wie dem Ratsvorsitz zumindest "gefühlt" bindet. Schwierig. Wäre es vielleicht besser, dass der jetzige stellvertretende Vorsitzende, der sächsischen Landesbischof Jochen Bohl, für das verbleibende Jahr den Vorsitz übernimmt? Bei allen Planspielen und diplomatischen Sondierungen des Spätsommers und Herbstes ist den Verantwortlichen eine gute Hand zu wünschen.

Doch von kategorial anderer Dringlichkeit ist natürlich der Grund, der Nikolaus Schneider vorzeitig sein Amt aufgeben lässt: Möge sein Beistand Anne Schneider bei der Genesung helfen. Das walte Gott.

Reinhard Mawick

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