Welt ohne Krieg

Visionen eines Freigeistes
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Die Wiener Historikerin Brigitte Hamann schildert das Leben einer Frau, die Kind ihrer Zeit und dieser zugleich weit voraus war.

Die Fortentwicklung der Militärtechnologie werde aus dem kommenden Krieg "etwas ganz Neues, Anderes, nicht mehr mit dem Namen Krieg zu Bezeichnendes" machen, schrieb Bertha von Suttner 1891. Sie war hell- und weitsichtiger als viele ihrer Zeitgenossen, besonders Militärs, Politiker und Kirchenmänner. Dass der Erste Weltkrieg ihr Recht gab, musste Suttner (1843-1914) nicht mehr miterleben. Sie starb eine Woche vor der Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares in Sarajewo.

Die Wiener Historikerin Brigitte Hamann, die auch Biographien Kaiserin Elisabeths und ihres Sohnes Rudolf geschrieben hat, schildert das Leben einer Frau, die einerseits - natürlich - ein Kind ihrer Zeit war und zum Beispiel einem Fortschrittsglauben anhing, der heute naiv erscheint. Aber zugleich war sie ihrer Zeit weit voraus, bekämpfte den in Österreich grassierenden Antisemitismus und kämpfte für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Letzteres lebte die aus dem deutschböhmischen Adelsgeschlecht Kinski stammende Frau in der Ehe mit dem sieben Jahre jüngeren Arthur von Suttner (1850-1902) vor, einer Liebes- und Arbeitsgemeinschaft auf Augenhöhe.

Die Pazifisten des 19. Jahrhunderts vertraten keine absolute Gewaltlosigkeit. Vielmehr sollten internationale Schiedsgerichte Konflikte zwischen Staaten lösen und so den Krieg überflüssig machen. "Diese Idee elektrisierte mich", schrieb Suttner im Rückblick. Eine Folge war der Roman "Die Waffen nieder", der 1889 erschien und sie berühmt machte. Zur Vorbreitung hatte sie Geschichtsbücher und Berichte von Kriegskorrespondenten und Militärärzten gelesen und sich bei Bekannten umgehört, die an Kriegen teilgenommen hatten. "Während dieser Studienzeit wuchs meine Abscheu vor dem Kriege bis zur schmerzlichen Intensität heran", erinnerte sich Suttner. Aber, und das hat ein Bezug zur aktuellen Diskussion, sie plädierte für ein internationales "Schutzheer", das bei Menschenrechtsverletzungen eingreift

Bis zu ihrem Tod ist die "Friedensbertha" unermüdlich für die Friedensbewegung tätig, von der Gründung der Österreichischen Friedensgesellschaft über unzählige Vorträge in aller Welt, Artikel und Bücher, bis zum Versuch, Prominente, auch Fürsten, für den Pazifismus zu gewinnen. Dabei wird sie finanziell von den Industriellen Alfred Nobel (1833-1896) und Andrew Carnegie (1835-1919) unterstützt, ideell auch von Alfred Hermann Fried (1864-1921), dem Vorsitzenden der Deutschen Friedensgesellschaft, und nicht zuletzt von ihrem Mann.

Hamanns Buch ist verständlich geschrieben und mit Fotos und Abbildungen von Plakaten und Karikaturen schön aufgemacht. Aber weniger und kürzere Zitate hätten den Lesefluss und -genuss erhöht. Der wird auch dadurch beeinträchtigt, dass Ausführungen über Suttners "Bundesgenossen" und ihre Auseinandersetzung mit der "Frauenfrage" in eigene Kapitel ausgelagert, statt in die Schilderung des Lebenswegs integriert werden. Aber schon allein weil es keine andere Suttnerbiographie gibt, sollte man diese lesen, zumal nur manche von der mutigen Frau gehört haben und noch weniger etwas über sie wissen dürften. Hätten die Zeitgenossen auf Suttner und ihre Mitstreiter gehört, wäre Europa viel erspart geblieben. Auch das ein Aspekt der Frage, wer am Ersten Weltkrieg schuldig ist. Noch im April 1914 klagte sie: "Das allseitige Suggerieren des kommenden Weltkrieges will nicht aufhören." Bekämpft haben dies Antiklerikale wie Bertha von Suttner, aber - welch eine Schande - nicht die Kirchen.

Brigitte Hamann: Bertha von Suttner. Kämpferin für den Frieden. Christian-Brandstätter-Verlag, Wien 2014, 320 Seiten, Euro 25,-

Jürgen Wandel

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