"... ich vermisse Berlin gar nicht"

Buntbücher setzen der Mark ein literarisches Denkmal
Foto: pixelio / Dietmar Meinert
Die Frankfurter Buntbücher präsentieren sich nicht nur als literarisches, sondern auch als gestalterisches Kleinod. Sie zeigen, dass im Märkischen kulturell und literarisch eben gar nicht auf Sand gebaut wurde.

Theodor Fontane nahm es den Berlinern seiner Zeit sehr übel, dass sie mit Ortsnamen wie Kyritz, Spandau, Ruppin oder Strausberg nur "Hässliches und Komisches" verbanden. Der Schriftsteller (1819-1898), "im märkischen Sande geboren", hatte auf seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg Schlösser, Kloster, Land und Leute beschrieben und den Märkern ein liebevolles Denkmal gesetzt.

Dass es sich zwischen Lübben und Rheinsberg, Uckermark und Fläming bis Frankfurt/Oder trefflich leben und auch dichten lässt, zeigt auch die kleine feine Reihe der Frankfurter Buntbücher. Sie sind grün, beige, grau, blau - Buntbücher. Dabei erinnert der Titel der Reihe an eine Dokumenten- oder Urkundensammlung einer Regierung, eines Staats, mit diplomatischem Material: Die farbigen Umschläge lassen das jeweilige Land erkennen, Weißbuch in Deutschland, Rotbuch in Großbritannien, Blaubuch in Frankreich. Die vom Kleist-Museum in Frankfurt/Oder herausgegebenen Buntbücher bekunden Orte, Landschaften, Regionen im Berlin-Brandenburgischen, die in Leben und Werk von Schriftstellerinnen und Schriftstellern Einzug gehalten und Spuren hinterlassen haben. So bringen diese kleinen schmalen Hefte der Leserin das Land nahe, das Fontane erwandert hat.

In Berlin, Mittenwald und Lübben begegnet sie dem evangelischen Liederdichter Paul Gerhardt, dem Buntbuch 30 gewidmet ist. Sie erfährt: In seinem 1653 gedruckten "Sommergesang" erscheinen in "Konturen die Topographie Berlins und seiner Umgebung: die Garten Zier des Lustgartens, der Wildbesatz von Tiergarten und Grunewald, die cöllnischen Weinberge am Tempelhofer Berg". Und in Mittenwalde hatte Gerhardt seine schöpferische Glanzzeit als Lieddichter.

Oder auf Gut Nennhausen. Dort macht die Leserin Bekanntschaft mit Caroline de la Motte Fouqué, eine geborene von Briest, die später den romantischen Dichter Friedrich de la Motte Fouqué heiratet. Mit Porträts, Karten, Briefen an Friedrich Wilhelm III., einem Titelblatt ihres Romans "Feodora" illustriert, zeigt sich in Buntbuch 48 eine faszinierende und selbstbewusste Frau, die Literarisches und auch Kulturgeschichtliches zum Beispiel über die Mode schrieb und mit ihren literarischen Tantiemen die gutsherrliche Haushaltskasse aufbessern musste.

Andere Buntbücher sind Heinrich von Kleist gewidmet, dem in Frankfurt an der Oder geborenen und aufgewachsenen Märker, der leidvolle Erfahrungen mit dem preußischen Armeeleben machte. Und Bettine von Arnim, die in Wiepersdorf schreibt: "Ich vermisse Berlin gar nicht, aber wohl mein Plätteisen, meine Waschwanne ..." - um doch regelmäßig zwischen Berlin und dem flachen märkischen Land zu wechseln. Und die Gunda von Savigny mitteilt: "Unsre Erdäpfel stehen schon vor dem Blühen, unsere Kuh gibt täglich 8 Quart Milch."

Das Schönste: Bibliophil gestaltet erfreuen sie auch die Augen der Betrachterin. Und präsentieren sich nebenbei nicht nur als literarisches, sondern auch als gestalterisches Kleinod. Sie zeigen, dass im Märkischen kulturell und literarisch eben gar nicht auf Sand gebaut wurde. Eine gelungene Reihe von mittlerweile fünfzig bunten Lesebüchern, die Lust auf weitere literarische Entdeckungen in der Region macht - sei es als kleine Reisebegleiter oder lesenswerte Mini-Monographien.

Weitere Informationen:

Die Frankfurter Buntbücher sind über den Buchhandel für acht Euro erhältlich und werden herausgegeben von Wolfgang de Bruyn und Hans-Jürgen Rehfeld. In Planung: Michael Bienert: Schiller in Potsdam und Michael Krejsa: John Heartfield in Waldsieversdorf.

Kathrin Jütte

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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