Bis hin zum Zimbelstern

St. Katharinen in Hamburg: Eine Orgel für Bach
Foto: pixelio/Dietmar Meinert
Mit dem Einfall, die Orgel wiederherzustellen, auf dem Johann Sebastian Bach 1720 in der Hamburger St. Katharinenkirche dieses denkwürdige Konzert gegeben hatte, hat der dortige Organist und Kirchenmusikdirektor Andreas Fischer inzwischen Orgelgeschichte geschrieben.

In dem Nekrolog auf seinen Vater berichtet Carl Philip Emanuel Bach von der Reise Johann Sebastian Bachs nach Hamburg im Jahre 1720 zur Bewerbung auf die Organistenstelle in St. Jacobi. Bei dieser Gelegenheit "ließ er sich daselbst vor dem Magistrat und vielen andern Vornehmen auf der schönen Catharinenkirchen Orgel, mit allgemeiner Verwunderung mehr als zwei Stunden lang hören".

Mit dem genialen Einfall, das Orgelinstrument wiederherzustellen, auf dem Johann Sebastian 1720 in der Hamburger St. Katharinenkirche dieses denkwürdige Konzert gegeben hatte, hat der dortige Organist und Kirchenmusikdirektor Andreas Fischer inzwischen Orgelgeschichte geschrieben.

"Eine Orgel für Bach" nannte er sein Vorhaben. Gewissermaßen in einem Akt historischer Wiedergutmachung an dem damals bei der Bewerbung an den finanziellen Forderungen des Senats scheiternden Bach wurde diese "Orgel für Bach" geschaffen. Das ist vergleichbar in etwa nur dem Wiederaufbau der Frauenkirche: Das, was unrettbar verloren schien, ist durch Phantasie, Ausdauer, handwerkliches Können und künstlerisches Ingenium wiederhergestellt worden.

Die Ursprünge dieses einst so gerühmten Instruments reichen zurück bis in die Reformationszeit. Nach und nach wurde es bis zum Ende des 17. Jahrhunderts viermanualig auf 58 Register und so zu einem der berühmtesten Instrumente des hanseatischen Orgelbarock ausgebaut. Als letztes Beispiel der frühen Blütezeit überlebte es sowohl die Neubautätigkeit Arp Schnitgers als auch den großen Brand von 1842.

Doch bei den schweren Bombenangriffen der Operation Gomorrha im Juli 1943 verbrannte die reiche Innenausstattung der Katharinenkirche mit der barocken Orgel. 1960 bis 1962 wurde von der Firma Kemper unter Verwendung historischen Pfeifenmaterials eine neue große Orgel eingebaut, die jedoch Mitte der Neunzigerjahre sich zunehmend als unzureichend für eine anspruchsvolle kirchenmusikalische Arbeit erwies. Daher wurde 1999 ein Ideenwettbewerb für den Neubau einer Orgel an St. Katharinen ausgeschrieben.

Stimmliche Vielfalt

Nach langen Diskussionen setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Orientierung am klassischen Orgelbau die nachhaltigste handwerkliche Gestaltungskraft versprach. Den Auftrag erhielt die holländische Firma Flentrup, die darin Erfahrungen aufweisen konnte. 520 alte Pfeifen baute sie in die neu-alte Orgel ein. Eine "Stiftung Johann Sebastian - Orgel für Bach" wurde gegründet und warb die erforderlichen Millionen ein.

Die Entscheidung für die Rekonstruktion machte aber auch eine Wiederherstellung des alten Gehäuses notwendig. Mit ihr wurde die Holzbildhauerin Christiane Sandler aus dem bayrischen Kissing beauftragt, die in achtjähriger Arbeit das Erscheinungsbild der Orgel aus der Renaissancezeit, befreit von späteren Zutaten, eindrucksvoll wiederherstellte. Wer den versunken Flöte spielenden Engel und die beiden Posaunenengel mit ihren wehenden Gewändern gesehen hat, kann ihr nur Bewunderung zollen.

Als am 2. Sonntag nach Trinitatis, am 9. Juni dieses Jahres, die neue Orgel für Bach in einem festlichen Gottesdienst eingeweiht wurde, waren nicht nur die anwesenden Organisten und Orgelbauer dankbar und ergriffen. So schön kann eine historisch orientierte Orgel klingen, sagte sich wohl jeder, als das Präludium in C von Johann Sebastian Bach vom Organisten Andreas Fischer intoniert wurde. Dreimal unterbrach Bischöfin Fehrs ihre Predigt, um die Vielfalt der dem Glauben korrespondierenden Stimmlagen der Orgel hören zu lassen, bis hin zum Zimbelstern.

Man kann sagen, was man will, die Pflege der Orgelkunst und des Orgelbaus ist nicht das geringste Verdienst des Protestantismus.

Hans-Jürgen Benedict

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Foto: privat

Hans-Jürgen Benedict

Hans-Jürgen Benedict war bis 2006 Professor für diakonische Theologie an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie des Rauhen Hauses in Hamburg. Seit seiner Emeritierung ist er besonders aktiv im Bereich  der Literaturtheologie.


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