Wo die Musik spielt
zeitzeichen: Herr Bischof Schindehütte, die EKD ist Mitglied der KEK, und deutsche Landes- und Freikirchen gehören auch noch der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) an. Ist es denn sinnvoll, dass es beide Organisationen gibt und der deutsche Protestantismus in beiden vertreten ist?
Martin Schindehütte: Ja. In der KEK sind nämlich auch die Kirchen vertreten, die nicht der GEKE angehören, orthodoxe, anglikanische und altkatholische. Bei der KEK haben wir es also mit der multilateralen Ökumene zu tun. Aber beide, GEKE und KEK, arbeiten eng zusammen.
Die KEK hat ja Probleme mit der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK). Vor fünf Jahren hat diese ihre Mitarbeit ausgesetzt. Was kann die EKD zu einer Annäherung von KEK und ROK beitragen?
Martin Schindehütte: Die KEK hat den Dialog mit der ROK aufgenommen, und wir unterstützen diesen Prozess, bringen uns gern als Brückenbauer ein. Aber das wird alles noch einige Zeit dauern.
Gibt es einen Zeitplan?
Martin Schindehütte: Nein. Die Russisch-Orthodoxe Kirche ist eingeladen worden, als Gast an der Vollversammlung der KEK in Budapest teilzunehmen. Aber sie hat keinen Vertreter geschickt. Das zeigt, der Weg der ROK zurück in die KEK ist lang, wenn er denn überhaupt beschritten wird. Da wäre es müßig, Zeitpläne zu entwerfen.
Die KEK verlegt ihr Sekretariat von Genf nach Brüssel. Warum?
Martin Schindehütte: Wenn die KEK in Europa etwas bewirken will, muss sie dort vertreten sein, wo die europäische Musik spielt, in Brüssel, am Ort des Parlaments und der Kommission der EU. Dort unterhalten ja auch die EKD und die Kirche von England Büros, ebenso jüdische Organisationen und andere Religionsgemeinschaften. Die KEK behält aber ihre Außenstelle in Straßburg. Denn wir wollen nicht nur den Kontakt mit der EU pflegen, sondern auch mit dem Europarat, dem bekanntlich mehr Länder angehören als der EU. Und auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (osze), deren Einrichtungen in Warschau, Den Haag und Wien sitzen, spielt für uns eine wichtige Rolle.
Vor der KEK hat ja schon die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WRK) Genf verlassen. Ist das der Anfang vom Ende ökumenischer Präsenz in der Calvinstadt?
Martin Schindehütte: Nein. Zum einen haben KEK und WRK im Genfer Ökumenischen Zentrum, wo der Weltkirchenrat (ÖRK) sitzt, nur kleine Stäbe unterhalten. Und bleiben werden ÖRK und Lutherischer Weltbund (LWB). Das sind ja auch von den Mitglieder- und Mitarbeiterzahlen her, wichtige Organisationen. Außerdem haben wir in der Verfassung der KEK festgelegt, dass diese mit dem ÖRK zusammenarbeiten muss.
Wir stehen also nicht am Beginn einer Entwicklung, an deren Ende alle ökumenischen Organisationen Genf verlassen?
Martin Schindehütte: Nein, im Gegenteil! Wir unternehmen große Anstrengungen, das Gelände des Ökumenischen Zentrums weiterzuentwickeln. Denn ÖRK und LWB müssen in Genf bleiben, auch wenn die Stadt, wegen der Lebenshaltungskosten und des hohen Frankenkurses, ein teures Pflaster ist. Aber dort sitzen nun einmal viele Nichtregierungsorganisationen und wichtige Institutionen der uno, Menschenrechtsrat, Internationale Arbeitsorganisation und andere. Und der ÖRK entwickelt sich wieder stärker als in der Vergangenheit zu einer Organisation, die in die Debatten um die Globalisierung wichtige Beiträge einbringt.
Die deutschen Mitgliedskirchen haben in den vergangenen Jahren eine gewisse Ineffizienz der KEK festgestellt. Jetzt sind die Strukturen verschlankt worden. Zum Beispiel wird die KEK jetzt von einem Verwaltungsrat geleitet, der mit seinen zwanzig Mitgliedern, darunter zwei deutschen, halb so groß ist wie der bisherige Zentralausschuss. Sind Sie zufrieden?
Martin Schindehütte: Erfüllt worden sind nicht nur deutsche Wünsche. Die Verbesserungsvorschläge, die die EKD gemeinsam mit den lutherischen Kirchen Schwedens und Finnlands, der Kirche von England und dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel gemacht hat, sind einmütig unterstützt worden. In Budapest wurde die neue Verfassung der KEK bei nur sieben Gegenstimmen und sieben Enthaltungen angenommen. Wir haben also einen ganz großen Konsens erreicht, den oft beschworenen magnus consensus. Und damit bin ich sehr zufrieden.