Katastrophen und Konflikte sind besser zu vermarkten als Kooperation und Konstruktivität. Von daher wundert es nicht, dass Muslime in den Medien vor allem negativ wahrgenommen werden. Dem entspricht eine Ablehnung des Islam, wie sie weite Kreise der Bevölkerung bestimmt und sich unter anderem in den Protesten um Moscheebauten oder in den Thesen Thilo Sarrazins zeigt. Trotz solcher Verwerfungslinien beharren die Herausgeber auf der Möglichkeit eines konstruktiven Miteinanders von Christen und Muslimen. Die Ursachen für die mit dem Stichwort "Integration" bezeichneten gesellschaftlichen Herausforderungen seien "keineswegs religiöse Unterschiede (...), sondern vielmehr die sozialen Brüche und Benachteiligungen, die immer mehr Menschen ausgrenzen - unabhängig von ihrer Religion". Unter dem trotzig daherkommenden Titel Es geht doch! haben Doris Schulz, Islambeauftragte im evangelischen Kirchenkreis Solingen, und Dirk Christian Siedler, Islambeauftragter des evangelischen Kirchenkreises Jülich und Vorsitzender des Arbeitskreises Christen und Muslime der Evangelischen Kirche im Rheinland (ekir), dreizehn Beschreibungen von gelungenen christlich-islamischen Dialogprojekten veröffentlicht. Dazu findet sich in dem Band das Grußwort des rheinischen Präses, Nikolaus Schneider, zur Eröffnung der Moschee in Duisburg-Marxloh. Der Bogen reicht von klassischen Gesprächskreisen über Müttercafés, interreligiöse Jugendkonferenzen und Begegnungsreisen bis hin zu christlich-muslimischer Gemeinwesenarbeit. Anlass dieser nicht repräsentativen, aber alle Regionen des Rheinlands erfassenden Sammlung war die auf der rheinischen Synodaltagung im Januar 2009 verabschiedete Arbeitshilfe Abraham und der Glaube an den einen Gott. Der Sammelband ist aber auch für eine Leserschaft außerhalb des Rheinlands gewinnbringend zu lesen. Dies liegt zum einen daran, dass der christlich-islamische Dialog in Nordrhein-Westfalen eine lange Tradition hat - das vorliegende Werk erinnert an die wichtigsten Etappen - und dass fast alle muslimischen Verbände ihre Zentralen im Rheinland haben. Beides führte dazu, dass dort Entwicklungen im Dialog reifen konnten, die dann auch in anderen Regionen übernommen wurden. Zum anderen beschreibt der Sammelband Projekte und Ideen, die auch außerhalb des Rheinlands realisiert werden können. In der Tat erfüllt der Band das von den Herausgebern gesteckte Ziel: "ansteckend wirken und (...) ermutigen und anregen, (ein) eigenes Projekt zu wagen". Leider verzichten die Herausgeber auf eine Auswertung der Berichte, obwohl die Zusammenschau Grundlinien eines gelungenen Dialogs erkennbar macht. Dazu gehören unter anderem die Einbeziehung möglichst vieler Beteiligter, vor allem auch kommunaler und politischer Institutionen, sowie die schriftliche Fixierung der Ziele und Strukturen. Den Kern des Dialogs, wie er in den Berichten erkennbar ist, bildet jedoch der Aufbau gegenseitigen Vertrauens, das auch in Krisen Bestand hat. Dies ist nur durch konsequente Begegnungsarbeit zu gewährleisten. Da weiterhin die Mehrheit der Muslime einen Migrationshintergrund aufweist und sowohl Desintegrations- als auch Diskriminierungserfahrungen in den Dialog einbringt, ist der interreligiöse Dialog zugleich immer ein interkultureller Dialog, der sich den Herausforderungen der Integration und der sozialen Gerechtigkeit stellen muss. Von einem reinen interreligiösen Dialog gleichberechtigter Partner kann daher nur bedingt gesprochen werden.
Doris Schulz/Dirk Chr. Siedler: Es geht doch. CMZ Verlag, Rheinbach 2011, 107 Seiten, Euro 10,-.
Ralf Lange-Sonntag