Seelsorger

Das Leben des Pfarrers Möckel
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Das Buch spiegelt das intensive Leben eines evangelischen Geistlichen unter zwei Diktaturen wider, der vor nationalistischen Parolen nicht gefeit war.

Anders als in anderen osteuropäischen Ländern wurde nach 1945 die deutschstämmige Bevölkerung in Rumänien nicht vertrieben. Die seit Jahrhunderten ansässigen katholischen Banater Schwaben und die evangelischen Siebenbürger Sachsen konnten bleiben, wohl auch deshalb, weil sie für das völlig darniederliegende Land unentbehrlich waren. Freilich schwankten die Deutschen als Volksgruppe wie auch von ihrer Mentalität her immer zwischen Anpassung und Abgrenzung. Unter dem Ceaucescu-Regime nutzten viele die Möglichkeit zur Ausreise in die Bundesrepublik. So ist die einst blühende deutsche Kultur im Banat und in Siebenbürgen heute weitgehend Vergangenheit. Der Zusammenhalt der seit dem frühen 12. Jahrhundert im südlichen Karpatenbogen ansässigen Siebenbürger Sachsen war über Jahrhunderte von der Evangelisch-Lutherischen Kirche geprägt. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet sie in die Mühlsteine der Politik und musste sich sowohl gegen nationalsozialistische wie später gegen kommunistische Angriffe wehren, und unter dem Kommunismus auch Verfolgung erleiden. Ein bewegendes Zeugnis dafür gab der langjährige Pfarrer von Kronstadt, Konrad Möckel (1892-1965), dem sein Sohn Andreas eine berührende Biographie gewidmet hat. Der junge Möckel wollte Geologe werden, kam aber über seine Arbeit als Lehrer zum Dienst als Pfarrer, anfangs in dem kleinen Ort Großpold, ab 1933 bis zu seiner Verhaftung durch die Securitate in Kronstadt an der dort weit bekannten Honterus-Gemeinde, deren Gotteshaus die berühmte Schwarze Kirche war. In Kronstadt, eines der Zentren Siebenbürgens, geriet er unweigerlich in die ideologischen Kämpfe der Zeit. Zeitlebens sah er in Gemeindearbeit und Gottesdienst seine zentralen Aufgaben, und mit aller Kraft stemmte er sich gegen die Auflösung seiner Kirche als Volkskirche. Die Entwicklung von der Volkskirche zur Kirche im Volk konnte oder wollte er nicht sehen. Zeitweise verbündete er sich mit politischen Strömungen, die dann zum Nationalsozialismus abdrifteten, deren entschiedener Gegner Möckel dann wurde. Spätestens als das von Marschall Ion Antonescu diktatorisch regierte Rumänien Verbündeter von Hitler-Deutschland wurde, kam es zu massiver Einschränkung aller kirchlicher Arbeit, allerdings nicht zu Verfolgung, Haft und Tod. Diese Maßnahmen blieben dem ab 1948 herrschenden kommunistischen Regime vorbehalten, das seine kirchenfeindlich inszenierten Schauprozesse zur Abschreckung und Einschüchterung benutzte. Möckel wurde im Februar 1958 unter dem Vorwurf verhaftet, Angehöriger einer "subversiven Organisation mit deutschem nationalistischem Charakter" zu sein. Ihm drohte die Todesstrafe, die in eine langjährige Haftstrafe abgeändert wurde. Nach knapp drei Jahren kam er frei und wurde in eine der unwirtlichsten Gegenden Rumäniens verbannt. 1963 konnte er mit seiner durch die Ereignisse schwermütig gewordenen Frau nach Deutschland ausreisen, wo er im Kloster Kirchberg bei Horb bis zu seinem Tode im August 1965 leben und lehren konnte. Das Buch spiegelt das intensive Leben eines evangelischen Geistlichen unter zwei Diktaturen wider, der vor nationalistischen Parolen nicht gefeit war, dann aber aus seinem tiefen Glauben heraus zum prinzipiellen Gegner totalitärer Ansprüche jeglicher Art wurde. Das Buch informiert in größter, bisweilen fast zu breiter Ausführlichkeit anhand vieler schriftlicher Zeugnisse über Möckels glaubensfeste Haltung. Die Darstellung ist jedoch stark auf die Siebenbürger Sachsen konzentriert. Etwas mehr Informationen zur allgemeinen Geschichte Rumäniens wären hilfreich gewesen. "Ich war", schreibt er schon 1936, "zu wach auf der Suche nach der lebendigen, christlichen Kirche, um mich der Täuschung hätte hingeben können, was im Grunde jeder Mensch ersehnt: wahre Gemeinschaft im Einklang mit Gott und den Menschen."

Andreas Möckel: Umkämpfte Volkskirche. Böhlau Verlag, Köln 2011, 394 Seiten, Euro 49,90.

Dirk Klose

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