Einbettung

Für feste Ordnungssysteme
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Rodriks Buch ist gut aufgeschrieben und liefert viel Stoff für differenzierte Debatten jenseits von "Freimarkt gut - Freimarkt böse".

Lesern der Wirtschaftsfeuilletons oder auch Freundinnen von entsprechenden Blogs ist Dani Rodrik kein Unbekannter. Der in Istanbul geborene Ökonom, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Harvard, mischt sich gern in die aktuellen Debatten ein. Seine Kernthese: Mit der Globalisierung sind wir noch längst nicht durch - im Gegenteil: Die Weltwirtschaft steckt nicht nur in einem Di- sondern in einem Trilemma: Die Regierungen wollen Demokratie, Nationalstaat und die unbegrenzte Mobilität von Kapital und Arbeit gleichzeitig vorantreiben. "Wir können aber höchstens zwei davon gleichzeitig haben", schreibt Rodrik. Für ihn ist klar, welche das sein sollten: "Demokratie und nationale Selbstbestimmung sollten uns wichtiger sein als eine Hyperglobalisierung." Dabei ist der US-Ökonom keineswegs ein radikaler Globalisierungsgegner, er plädiert lediglich für einen Welthandel, der "ein Mittel zum Zweck (ist), kein Selbstzweck".

Sein neues Buch "Das Globalisierungsparadox" ist nun auf Deutsch erschienen. Auf gut 360 Seiten orientiert er sich darin an seinen eigenen Fragen zum Zusammenhang von Liberalisierung, Wachstum und Integration und macht so den Erkenntnisweg für Experten wie für Laien leicht nachvollziehbar.

Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass in den vergangenen vierzig Jahren eine Krise auf die andere folgte - und die Ökonomen immer wieder überraschte: 124 Bankkrisen, 208 Währungskrisen und 63 Schuldenkrisen zählte die Weltbank zwischen 1970 und 2008, und inzwischen sind noch einige hinzugekommen. Das Problem: Sie passten nicht ins Bild der zum Wohle aller funktionierenden freien Märkte, das der ökonomische Mainstream so lange so gern zeichnete.

Damals in Bretton Woods

Rodrik setzt dem Beispiele entgegen, die zeigen, dass es einzelnen Ländern sehr gut getan hat, sich den strikten Regeln der Liberalisierung zu entziehen. Mauritius zum Beispiel, das sich seit den Siebzigerjahren von einem sehr armen, vom Zuckerrohrexport abhängigen Inselstaat zu einem afrikanischen Erfolgsmodell entwickelt hat - indem es sich zunächst auf den Aufbau einer eigenen Wirtschaft konzentrierte, bevor es eine neue differenziertere Exportwirtschaft aufbaute.

Am liebsten aber kommt Rodrik auf die Ära von Bretton Woods zurück, also die Jahre zwischen 1945 und 1975. Die von den damaligen Weltmächten aufgestellte Weltwirtschaftsordnung schaffte die Voraussetzungen für den Aufschwung des Welthandels. Und sie ließ den Regierungen Spielraum, für bestimmte Branchen Importzölle aufrechtzuerhalten und unterschiedliche Versionen des Sozialstaates zu schaffen. Das Ergebnis: "Die Weltwirtschaft wuchs zwischen 1950 und 1973 Jahr für Jahr um rund drei Prozent, fast dreimal so stark wie vor den Dreißigerjahren und doppelt so stark wie seit Ende der Siebzigerjahre." Das System brach zusammen, als sich die Regierungen nicht mehr an die Spielregeln hielten - "Unfähigkeit oder Unwillen - was zutrifft, ist nicht ganz klar", schreibt Rodrik.

Was heißt das für die künftige Weltwirtschaft? Rodrik empfiehlt die Einbettung der Märkte in feste Ordnungssysteme und ein Recht der Nationalstaaten auf den eigenen Weg. Der Zweck internationaler Wirtschaftsabkommen wäre dann, "Verkehrsregeln für die Schnittstellen zwischen nationalen Instituten festzulegen". Das alles ist gut aufgeschrieben und liefert viel Stoff für differenzierte Debatten jenseits von "Freimarkt gut - Freimarkt böse".

Einen Mangel hat das Buch jedoch: Über globale Umweltprobleme, die nur mit einer international koordinierten Politik zu lösen sind, geht Rodrik leichtfertig hinweg. "Wenn etwas gegen den Klimawandel erreicht werden soll, sind die Nationalstaaten gefordert, sich über ihr Eigeninteresse zu erheben und gemeinsame Strategien zu entwickeln", schreibt der Ökonom. Welche Strukturen sie dazu aber nutzen sollen, bleibt offen. Die Ökologie gehört offenbar nicht zu seinen Lieblingsthemen. Dabei gehört sie in jede Betrachtung globaler Zukunftsperspektiven zwingend hinein.

Dani Rodrik: Das Globalisierungsparadox. C. H. Beck Verlag, München 2011, 416 Seiten, Euro 24,95.

Beate Willms

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