Dennoch

Problemgeschichte via Porträts
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Genug der Kritik und stattdessen ein großes Dennoch: Dennoch ist dieses Buch eine nützliche und lehrreiche Lektüre.

Können Kurzbiografien zu einem Leitfaden durch eine Disziplin werden? Oft genug hat das schon funktioniert, aber in der Regel nur, wenn der Adept sich durch sie zu weiteren Erkundungen animiert fühlt - denn zu einem nicht weiter zu ergänzenden eisernen Grundwissen taugen sie natürlich nicht. Dabei steht jede Auswahl in Spannung zwischen der behaupteten objektiven Bedeutung der Ausgewählten und den eigenen Vorlieben oder der eigenen Theologie. Alf Christophersen gehört nicht zu denen, die mit ihren Präferenzen ins Haus fallen - ihn zeichnen Zurückhaltung im Urteil und eine klare, unprätentiöse, zuweilen nachgerade nüchterne Sprache und Darstellung aus. Doch sind die einzelnen der 28 Porträts nicht alle auf dem gleichen Level: Was mag der unbedarfte Leser mit den Ausführungen etwa zu Thomas von Aquin anfangen? Die eingehend beschriebenen Gottesbeweise verleiten geradezu dazu, ihn in das für Museales reservierte Hirnareal abzuschieben. In seinem Bultmann-Kapitel geschieht es dem Autor, dass er sich von der existenz-ontologisch angestrengten Sprache des Meisters nur unzureichend zu lösen vermag, und mit Karl Barth scheint Christophersen so wenig anfangen zu können, dass am Ende unklar bleibt, warum sich so viele Leute von ihm und seiner Theologie einst so faszinieren ließen. Dinge, die ihm eher weniger liegen, behandelt der Autor mit verräterischer Lustlosigkeit - die Allversöhnung zum Beispiel, der sich Schleiermacher und Barth "jedoch keineswegs unkritisch verschrieben" hätten und "von der sich der eine oder andere durchaus etwas versprechen mag". Oder wenn er ausführt, dass die Bultmann-Schüler Käsemann, Fuchs und Bornkamm im Gegensatz zu ihrem Lehrer nicht alle historischen Rekonstruktionsbemühungen abgewiesen hätten, sondern von der historischen Einheit des vor- und des nachösterlichen Jesus ausgegangen seien. Viel ist dabei nicht herumgekommen, gewinnt man den Eindruck, aber: "... die Suche nach dem historischen Gehalt der Biografie Jesu ist und bleibt eine immerwährende Aufgabe." Doch genug der Kritik und stattdessen ein großes Dennoch: Dennoch ist dieses Buch eine nützliche und lehrreiche Lektüre. Es endet übrigens mit Papst Johannes Paul II. (überhaupt sind die Porträtierten ökumenisch ausgewählt). Er wird mit kühler Sympathie geschildert: "Seine moralische Rigidität und seine konservative theologische Grundhaltung faszinieren in der ihnen eigenen Konsequenz und wurden in ein den Menschen zugewandtes Wesen integriert." - Wer nebenbei noch neugierig bleibt auf die erwähnten, aber gar nicht so leicht zu erkennenden Präferenzen des Autors, der stößt vielleicht auf Hildegard von Bingen und auf Pascal, auf Adolf von Harnack und auf Dorothee Sölle. Spricht das für eine Neigung zu einer mystisch inspirierten rationalen Theologie? Nur vielleicht. Im Vorwort weist Christophersen darauf hin, dass jede der vorgestellten Großen für eine theologische Grundfrage steht. Das allerdings ist nicht zu leugnen und rechtfertigt die Auswahl zwanglos. Womit wir wieder am Anfang wären: Dieses Buch bietet einen Leitfaden durch die Problemgeschichte der Theologie. Alf Christophersen: Sternstunden der Theologie. Schlüsselerlebnisse christlicher Denker von Paulus bis heute. Beck Verlag, München 2011, 240 Seiten, Euro 12, 95.

Helmut Kremers

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