Thesen für moderne Menschen

Die Vollkonferenz der UEK widmet sich dem Heidelberger Katechismus
Eine "Ethik des Lassens" sieht Ulrich Körtner in der Reformation angelegt. Foto: epd/Norbert Neetz
Eine "Ethik des Lassens" sieht Ulrich Körtner in der Reformation angelegt. Foto: epd/Norbert Neetz
Der Heidelberger Katechismus stand im Zentrum der UEK-Vollkonferenz. Im Januar jährt sich die Erstveröffentlichung des reformatorischen Lehrbuches zum 450. Mal. Am Rande der Vollkonferenz präsentierte der Reformierte Bund eine Wanderausstellung zum Thema, die Kirchengemeinden und andere Interessenten seit diesem Monat ausleihen können.

Ein silbriger Fahrsteig am Frankfurter Flughafen, Menschenmassen auf der zugefrorenen Alster, ein Graffiti in Braunschweig - passt der Heidelberger Katechismus mit all seinen Bezügen auf eine konkrete historische Situation des 16. Jahrhunderts in unsere Zeit? Das ist eine der Fragen, die die zwölf Tafeln der Ausstellung "450 Jahre Heidelberger Katechismus" ihren Betrachtern mit auf den Weg geben. Deshalb kontrastieren sie die historischen Texte und Bilder zur Entstehung und zum Inhalt des Katechismus immer wieder mit der Ikonographie moderner Urbanität.

Dass dem Heidelberger Katechismus, dem zeitzeichen in der kommenden Ausgabe einen eigenen Schwerpunkt widmet, sehr wohl ein Sitz im Leben eines modernen Protestanten zukommen kann, machte Setri Nyomi, Generalsekretär der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK), in seiner Botschaft an die Vollkonferenz deutlich. Nyomi verwies auf die Wirtschaftskrisen in Griechenland und Spanien und die Ökonomische Not vieler Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika. Sowohl der Heidelberger Katechismus als auch das Bekenntnis von Accra für eine wirtschaftliche und ökologische Gerechtigkeit aus dem Jahr 2004 seien vor diesem Hintergrund keineswegs nur zur Aneignung durch reformierte Kirchen bestimmt, "sondern als Gabe für die ganze Welt gedacht".

Wie konkret die Eurokrise und die damit verbunden Wechselkurse auch die reformierten Kirchen betreffen, machte die Botschaft deutlich, die Nyomi der Vollkonferenz mitbrachte: Die WGRK wird seine Geschäftsstelle spätestens 2014 aus dem schweizerischen Genf in die Eurozone verlegen, genauer gesagt nach Hannover, und dort in das gleiche Haus einziehen, in dem auch der Reformierte Bund seinen Sitz hat.

Nyomi erinnerte sich zudem an seine kirchliche Sozialisation in Ghana: "Als junger Mensch war ich genötigt, ausreichende Kenntnisse des Heidelberger Katechismus vorzuweisen, um zur Konfirmation zugelassen zu werden." Kann das für heutige Konfirmanden in einer deutschen Kirchengemeinde auch noch gelten? Gewiss nicht die Nötigung, aber doch die bildungspolitische Bedeutung dieser 129 Thesen. Schließlich sei der Katechismus seiner Konzeption nach ein "Lehrbuch im Sinne der rechten evangelischen Lehre", sagte Uwe Hauser vor den Synodalen zum Auftakt der Vollkonferenz. "Nahezu das gesamte Bildungskonzept der Kurpfalz ruhte nach 1563 auf diesem Schulkatechismus: Lesen, Schreiben, Übersetzen, die rechte Form der Logik von Aussagen." Der Katechismus stehe in der Tradition humanistischer Texte des 16. Jahrhunderts, die die Frage nach dem Menschen und seinem Heil in den Mittelpunkt rückten. "Das eröffnet Möglichkeiten, heutige Anforderungssituationen mit anthropologischen, soteriologischen und ethischen Fragen und Antworten zu verknüpfen."

Diesen Gedanken griff auch Ulrich Körtner, Professor für Systematische Theologie in Wien, in seinem Vortrag am Beispiel der Rechtfertigungslehre auf. Die reformatorische Kernbotschaft der Rechtfertigung des Gottlosen allein durch den Glauben richte sich "an den Menschen, der, modern gesprochen, um seine Anerkennung kämpft". Die Ethik der Rechtfertigungslehre sei damit "nicht so sehr eine solche des Tuns als vielmehr des Lassens". Es komme eben keineswegs darauf an, die Welt oder unsere Mitmenschen "nach unseren Vorstellungen zu verändern oder zu verbessern, sondern darauf, sie zu verschonen".

Stephan Kosch

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