Geschwätz von gestern

Punktum
"Der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig. Das geht auf Dauer auch nicht zusammen", schreibt die Uckermärkerin Angela Merkel den Faulpelzen ins Stammbuch, die sie im Mittelmeerraum entdeckt hat.

"Dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen, das ist wichtig", sagte Angela Merkel jüngst vor Parteifreunden im westfälischen Meschede. Es geht also nicht, dass die einen bei der Doktorarbeit wissenschaftlich arbeiten und die anderen abschreiben? Nein, ganz so eng sieht das die Bundeskanzlerin nicht. Alle sollen sich ja nur "ein wenig gleich" anstrengen. Also doch noch ein Comeback für Karl Theodor zu Guttenberg? Nein, Merkel geht es nicht um den wissenschaftlichen Mitarbeiter, den sie nicht angestellt hat, sondern um Griechenland, Portugal und Spanien. "Deutschland hilft", sagte die Kanzlerin, aber "nur dann, wenn sich die anderen anstrengen. Und das muss nachgewiesen werden." Falsche Fußnoten lässt Doktor Merkel nicht durchgehen.

"Der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig. Das geht auf Dauer auch nicht zusammen", schreibt die Uckermärkerin den Faulpelzen ins Stammbuch, die sie im Mittelmeerraum entdeckt hat. Aber die Deutschen "ganz wenig" Urlaub? War da nicht mal was mit einem "kollektiven Freizeitpark" (Helmut Kohl)?

Angela Merkel hat ein christliches Menschenbild. Steht doch schon in der Bibel: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen." Also Vorsicht, Ihr Bayern mit Euren vielen Feiertagen (Pflegeversicherung!). Freilich, dass Ihr Schweizer länger arbeitet als die Deutschen, nützt auch nichts! Wenn Peer Steinbrück Kanzler wird, steht wieder die Kavallerie am Hochrhein und ein Kanonenboot vor Romanshorn.

Es gibt auch Mittelmeerländer, die Merkel (wieder) mag, zum Beispiel den Vatikanstaat (wenig Urlaub, hohes Renteneintrittsalter). Der Streit mit seinem Oberhaupt "ist beigelegt", versicherte Erzbischof Robert Zollitsch kürzlich im Focus und verriet, dass sich die Kanzlerin auf den Papstbesuch freue. Gibt schließlich schöne Bilder für die Stammwähler der Union.

Gut sind auch die Beziehungen zu Großbritannien. Dem Vernehmen nach stellte London dem Bundeskanzleramt kostenlos die Handtaschen zu, die Margret Thatcher in Downing Street 10 zurückgelassen hatte. Dass man die, die "ganz viel Urlaub haben" und sich nicht "anstrengen", zur Eurozone zuließ, hatte Merkel doch gutgeheißen, oder? Nun ja, sie ist halt wendig. Merkels Bewunderung für die Schwaben ("schwäbische Hausfrau") dürfte seit der Landtagswahl zwar nachgelassen haben. Aber sie hält es weiter mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Reinhold Maier, der einmal gesagt hat: "Was geht mich mein saudummes Geschwätz von gestern an."

Jürgen Wandel

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