Gemeinsam prosperieren

Ein Ende der europäischen Währungsunion wäre für Deutschland desaströs
Das Eurosymbol vor der Zentralbank in Frankfurt am Main. Foto: dpa/Mauritz Antin
Das Eurosymbol vor der Zentralbank in Frankfurt am Main. Foto: dpa/Mauritz Antin
Es gibt kein Zurück, wir sind dem Euro auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, meint Ulrike Herrmann, wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz, und begründet, warum wir zuversichtlich auf "Gedeih" setzen können.

Viele Deutsche stellen sich den Euro offenbar wie die Drehtür eines Kaufhauses vor: Erst geht man rein, und dann wieder raus. Wenn das Angebot missfällt, verlässt man den Laden. Doch so funktioniert der Euro nicht. Der Beitritt ist einfach - der Austritt aber unmöglich. Denn der politische und ökonomische Schaden wäre immens, wenn die Währungsunion einige ihrer Mitglieder verlieren oder ganz zerbrechen würde. Alle Euroländer würden leiden, nicht nur die Defizitsünder.

Gerade für Deutschland wären die ökonomischen Konsequenzen desaströs. Nehmen wir einmal an, die Währungsunion würde vollends zerbrechen und wieder eine D-Mark eingeführt. Weltweit würde Deutschland von den Anlegern als sicherer Hafen betrachtet - und die neue DM dramatisch aufwerten. Eine Ahnung dieser Entwicklung vermittelt die Schweiz, die hilflos zusehen muss, wie ihr Franken immer teurer wird, weil verängstigte Investoren ins Land drängen. Also brechen die eidgenössischen Exporte weg. Kein Ausländer kann oder will sich die Schweizer Uhren, den Emmentaler Käse oder einen Urlaub im Tessin zu diesen exorbitanten Preisen leisten.

Euro-Ausstieg hätte dramatische Folgen

Für Deutschland wäre der Ausstieg aus dem Euro noch einschneidender, denn die DM würde abrupt aufwerten - und nicht graduell wie jetzt der Schweizer Franken. Sprichwörtlich über Nacht würden die Exporte zusammenbrechen und eine schwere Wirtschaftskrise würde folgen. Und gleichzeitig würden wohl die meisten deutschen Banken in den Konkurs schlittern, weil sie einen großen Teil ihrer Auslandsforderungen abschreiben müssten. Die deutschen Kreditinstitute haben Hunderte Milliarden in die anderen Eurostaaten verliehen. Gäbe es plötzlich eine neue starke DM, während die Franzosen und die Italiener mit einem schwachen Franc und einer noch schwächeren Lira zurückbleiben, würden viele Schuldner in diesen Ländern ihre Kredite bei deutschen Banken nicht mehr bedienen können. Die hiesigen Institute wären pleite, und die deutschen Sparer hätten einen Teil ihres Vermögens verloren.

Ein Euro-Crash wäre weit schlimmer als die Finanzkrise 2008, die auf den Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers folgte. Auch die EU wäre dann am Ende. Denn sie würde ihren politischen Sinn verlieren, wenn sich so deutlich zeigte, dass ihre wichtigsten Mitglieder ökonomisch nicht miteinander kooperieren können.

Übrigens wäre es keine Alternative, wie Werner Plumpe vorschlägt, nur die Griechen aus dem Euro zu verstoßen. Denn die Investoren würden zu Recht annehmen, dass irgendwann jedes Land aus dem Euro fliegen könnte - und die Panik auf den Finanzmärkten würde den Euro dann ebenfalls sprengen. Vielleicht bliebe ein "Nordeuro" übrig, eine gemeinsame Währung Deutschlands, der Niederlande, Luxemburgs, Finnlands und Österreichs. Aber die Folgen wären die gleichen wie bei einer reinen DM: rasante Aufwertung der neuen starken Währung, Exporteinbrüche und Bankenpleiten.

Gerade für Deutschland ist es daher billiger und klüger, den Euro zu retten, statt einen Zerfall der Währungsunion zu riskieren. Allerdings helfen halbherzige Maßnahmen nichts, wie der bisherige Verlauf der Eurokrise zeigt. Die Nervosität auf den Finanzmärkten wird sich erst dann legen, wenn die Euroländer gemeinsame Staatsanleihen begeben - die so genannten Eurobonds. Dann wäre es für die Investoren nicht mehr möglich, gegen einzelne Länder zu spekulieren.

Grundlose Angst vor Eurobonds

In Deutschland ist die Sorge groß, dass die Eurobonds sehr teuer würden. Man befürchtet, dass dann hohe Zinsen wie derzeit in Italien fällig würden. Doch diese Angst ist unbegründet. Denn durch den Eurobond würde ein riesiger einheitlicher Markt für europäische Staatsanleihen entstehen. Jeder Investor könnte jederzeit sicher sein, dass er innerhalb von Sekunden seine Eurobonds veräußern könnte - und zwar zu einem echten Marktpreis, der nicht wie jetzt dadurch verzerrt ist, dass ein Verkäufer oft keinen Käufer findet, weil die Umsätze gerade bei den Staatsanleihen kleiner Länder zu gering sind. Dieser Markt für Eurobonds wäre so liquide wie die Dollarpapiere. Übrigens: Die USA müssen momentan nur 2,5 Prozent Zinsen zahlen für einen zehnjährigen Kredit. So billig könnten sich auch die Eurostaaten finanzieren, wenn sie einen gemeinsamen Eurobond hätten.

Doch die Deutschen treibt noch eine weitere Sorge um, die sie daran hindert, dem Eurobond zuzustimmen. Sie fürchten, dass sie dann für die anderen zahlen müssten, die "ständig über ihre Verhältnisse leben". Nichts ist hierzulande so unbeliebt wie eine "Transferunion". Doch auch diese Angst ist unbegründet: Man könnte die Eurobonds so konstruieren, dass sie eine maximale Schuldengrenze vorsehen.

Der Blick in den Rückspiegel bringt nichts. Die Einführung des Euros markierte eine Zäsur. Seither können wir nur noch als geeintes Europa prosperieren - und das ist eine Chance.

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Ulrike Herrmann

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