Unheiliges Land

Meinungsstarker Blick auf Nahost
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Die engagierte Argumentation aus einer klaren Parteinahme heraus macht Rupert Neudecks Israel-Buch lesenswert. Dieser Ansatz ist aber zugleich auch die größte Schwäche.

Rupert Neudeck ist ein streitbarer Mann. Seit Jahrzehnten engagiert er sich für die Menschen, die in den Brennpunkten dieser Welt unter Krieg und Vertreibung leiden. Egal, ob es um die Rettung der vietnamesischen Boat-People durch das umgebaute Handelsschiff Cap Anamur ging oder den Einsatz des Friedenskorps "Grünhelme für den Wiederaufbau in Afghanistan" oder um Afrika - stets fand der frühere Journalist des Deutschlandfunkes klare Worte für die Beschreibung eines Konfliktes und scheute sich nicht, Opfer- und Täterrollen klar zu benennen.

So wundert es nicht, dass sein jüngstes Buch, diesmal zum Thema Israel und Palästina, alles andere ist als eine diplomatische und ausgewogene Analyse des Nahost-Konfliktes. Neudeck sagt deutlich, auf welcher Seite er steht: "Ich bin nicht in der Lage, mich dem verachtesten Volk auf der Welt nicht verwandt und verschwistert zu fühlen als Mensch. Und das sind die Palästinenser."

Aus dieser Grundhaltung heraus und mit der Erfahrung der Arbeit der Grünhelme in der Region im Gepäck beschreibt Neudeck seine Sicht der Dinge, weniger in Form einer strukturierten Analyse denn als thesen- und meinungsstarker Kommentar, der immer wieder zu dem Schluss kommt: Der Schlüssel zur Lösung des Konfliktes liegt bei den Israelis, sie sind die Stärkeren und müssen Verzichten - auf besetzte Gebiete, auf den Siedlungsbau und auf eine Politik, die nach Meinung Neudecks auf Gewalt, Krieg und Unterdrückung der Palästinenser und ihrer Kultur setzt.

Eine Position, die man nicht zum ersten Male liest. Bemerkenswert ist aber die Schärfe der fundamentalen Kritik an Israel. Die israelische Demokratie sei "formal in Ordnung", werde aber von einer "Militärkaste" geführt. Eine "imperalistische Versuchung" habe von Israel Besitz ergriffen, die mühsam religiös und nationalgeschichtlich bemäntelt werde. Israel breche Menschen- und Völkerrecht, schaffe zum Beispiel in der geteilten Stadt Hebron einen Zustand, für den der Begriff Apartheid "noch zu milde" sei und nennt die Vetreibung der Palästinenser im Zusammenhang mit der Gründung des Staates Israel "Deportation".

Und er spricht von der "jüdischen Lobby in Washington" und davon, dass "die israelische Regierung bestimmt, was Washington im Nahen Osten zu tun hat." So etwas sorgt beim Leser für Unbehagen. Werden hier nicht antisemitische Vorurteile bedient? Ist nicht der Holocaust der Deutschen zumindest einer der Gründe für die Härte Israels? Ist es nicht ein Zeichen mangelnder politischer Sensibilität, wenn eine geschätzte Person des Öffentlichen Lebens aus Deutschland so etwas und vor allem mit solchen Worten sagt?

Neudeck, der durchaus immer wieder auch auf die Bedeutung des Holocausts für die israelische Haltung hinweist, gibt eine klare Antwort: "Wir können unsere Schuld und Scham und unser latent offen zutage tretendes schlechtes Gewissen nicht dadurch loswerden, dass wir eine Politik Israels gutheißen, die einem dritten, den Palästinensern nämlich, sämtliche Menschenrechte abspricht."

Die engagierte Argumentation aus einer klaren Parteinahme heraus macht Neudecks Buch lesenswert, ist aber zugleich auch seine größte Schwäche. Denn schon früh sind die Grundthesen benannt, vieles im Verlauf der Lektüre wird dann redundant. Eine Straffung des Textes durch ein Lektorat mit kühlem Kopfe hätte dem Buch nicht geschadet. Dennoch - wer eine klare Position zum Nahostkonflikt sucht und bereit ist, sich mit meinungsstarken Thesen auseinanderzusetzen, wird bei Rupert Neudeck fündig werden.

Rupert Neudeck: Das unheilige Land. Brennpunkt Naher Osten. Herder Verlag, Freiburg 2011, 240 Seiten, Euro 18,95.

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Stephan Kosch

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